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Ein Drama für Jack Taylor

Ein Drama für Jack Taylor

Titel: Ein Drama für Jack Taylor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Bruen
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Bengel mich genannt hat?«
    Mein Vater stand auf, Socken an den Füßen, und ging die Treppe hinauf.
    Meine Mutter rief:
    »Was für ein Mann bist du denn?«
    Ich wusste, dass er hochgegangen war, um sich Schuhe anzuziehen. Sie, wie üblich, wusste gar nichts über ihn. Ein paar Augenblicke später kam er herunter, das Gesicht so ruhig wie in Stein gehauen, öffnete die Tür, schloss sie still hinter sich. Durch das Fenster sahen wir zu, wie er durch die Rabauken watete, sich dem mit dem Ellbogen näherte, fragte:
    »Was hast du zu meiner Frau gesagt?«
    Der Bursche wiederholte es, Wagemut blitzte in seinem Gesicht auf. Ich sah meinen Vater seufzen, hörte es vielleicht sogar. Dann, den ganzen Körper gestrafft, die ganze Kraft in den rechten Arm komprimiert, drosch er den Jungspund zu Boden wie eine verdutzte Kuh. Er starrte den zerknautschten Jungen zu seinen Füßen an, schien eine gepeinigte Entscheidung zu treffen, wandte sich dann ab.
    Die Bubenbande machte ihm schweigend Platz. Er schritt in die Küche, drehte den Kaltwasserhahn auf. Während das Wasser über seine aufgeplatzten, blutenden Fingerknöchel lief, sah er mich an, das Gesicht in tiefer Qual, sagte:
    »Jack, das war eine Reaktion, ist aber nie eine Lösung.«
    Ich war damals nicht seiner Meinung und bin es heute nicht. Würde mehr gedroschen, brauchten wir weniger Therapie.
    Niall O’Shea war der Bursche mit dem schnellen Mundwerk. Mein Vater hatte ihm den Kiefer gebrochen. Es gab kein Nachspiel, zumindest kein juristisches. Es sei denn, man zählt den Kommentar meiner Mutter:
    »Was war das denn für ein Betragen?«
    Oder die persönlichen Kosten für meinen Vater. In den nächsten paar Jahren begegnete ich Niall oft, und er bedachte mich immer mit einem verlegenen Lächeln. Als ich Jungpolizist war und in Portumna Nachtdienst schob, bekam ich vier Tage Urlaub und landete saufend im Hughes’ in Woodquay. Ich traf Niall im überfüllten Schankraum, und er kaufte mir eine pint. Er spielte Bauunternehmer und verdiente Geld, alles »voll pauschal«, und er sagte:
    »Wusstest du, dass mein Kiefer sechs Monate lang verdrahtet war?«
    Ich hatte mir eine solide Grundlage angesoffen, aber noch nicht genug, um mich bei diesem Gespräch richtig wohlzufühlen, und machte:
    »Oh.«
    Er nickte animiert:
    »Musste mich durch einen Strohhalm ernähren, und, Mann, hat das scheißwehgetan.«
    Ich zuckte unverbindlich die Achseln, er rief eine neue Runde aus und sagte:
    »Dein alter Herr, der konnte wirklich alles in einen Faustschlag packen.«
    Passende Grabinschrift.
    Da habe ich Niall O’Shea zum letzten Mal gesehen. Am genauesten erinnere ich mich an ihn als sehr schlechten Sänger, der Johnny McEvoys »Mursheen Durkin« hinmetzelte. Das ist sowieso ein schreckliches Lied und braucht nicht zusätzlich noch den Schauder-Faktor. Wenn man über den Hafen von Galway blickt, steht da ein massiver Kran, der die Landschaft lange verschandelt hat. Von überall in der Stadt aus zu sehen, sagt er alles, was über »Stadterneuerung« zu sagen ist. Ein paar Jahre nach unserem Treffen erklomm Niall O’Shea diesen Kran und sprang. Er hatte die Position des Krans schlampig eingeschätzt, denn er fiel nicht ins Wasser, sondern auf den Beton. Man brauchte nicht mal einen Strohhalm, um Nialls Überreste zu entfernen. Seitdem kann ich Johnny McEvoy nicht mehr hören, und das ist nicht Johnny McEvoys Schuld. Das ist irische Logik; es ergibt nie einen Sinn.
    Ich erzähle dies alles, um zu demonstrieren, wie sehr ich mit anderen Gedanken beschäftigt war. Hätte ich klar gedacht, hätte ich mich darauf konzentriert, wo Ann mich treffen wollte. Nachts auf einem Parkplatz? Jeder weiß, dass ich verdiente, was mich erwartete. Verließ mein Zimmer mit Emily Dickinsons Worten als Mantra:
    »Das Herz will, was es will,
Sonst lässt’s es lieber gleich.«
    Jawoll.
    Mrs Bailey stieß einen Keucher des Entzückens aus, sagte:
    »Ja, du meine Güte, wenn ich fünfzig Jahre jünger wäre, bekämen Sie aber was für Ihr Geld.«
    Ich kriegte einen ordentlichen Schreck, versuchte, es leichthin abzutun, machte:
    » Arrah, Sie sind doch viel zu viel Frau für mich.«
    Als sie lachte, kam es aus der Seele. Man sah die Frau, die achtzig Jahre lang den Wettern getrotzt hatte, die erlebt hatte, wie ihr Land laut schreiend in einen Wohlstand gezerrt wurde, der verdammt beinah alles zerstörte, woran sie glaubte. Sie konterte mit der genormten Erwiderung einer rundum befriedigten irischen

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