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Ein Drama für Jack Taylor

Ein Drama für Jack Taylor

Titel: Ein Drama für Jack Taylor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Bruen
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mitleiderregend aus Mangel an Mitleid – zu jener Zeit lenken, da eure Stäbe, eure Kittel mir ein kleines Zelt waren, da eine Birke mir Unterstand war, und auf einem trocknen Stein; obwohl von diesem Tag an meine eigenen Finger mir ein Zelt machen werden, indem sie meine Haare ausbreiten, und diese vom Regen knotig.
    Jetzt wusste ich Bescheid. Zwei Mädchen waren zu Tode gekommen, scheinbar durch einen Unfall. Unter beiden Mädchen lag ein Buch von Synge, in das die Wörter »Der Dramatiker« geschrieben waren. Also, was sollte ich tun, und wer würde mir glauben? Ich schlug die letzte Seite auf, und, genau, mit Schreibmaschine auf ein Etikett getippt und eingeklebt stand: »Deirdre, unter der Last ihrer Trauer schier wahnsinnig, fällt leblos über das offene Grab.« Immerhin konnte ich den Verdacht von Stewart-dem-Drogendealer bestätigen. Ihm sagen, dass er recht hatte: Jemand hatte seine Schwester umgebracht. Ich hatte absolut nichts, womit ich arbeiten konnte. Selbst wenn ich etwas gehabt hätte, was zum Teufel sollte ich tun, den Mörder verfolgen? Das Telefon klingelte, und ich hob ab, hörte:
    »Jack?«
    Es war Jeff, und seine Stimme klang schwer. Er sagte:
    »Pat Young ist im Krankenhaus.«
    »Was ist ihm passiert?«
    »Er wurde attackiert.«
    »Von wem?«
    Er brauchte einen Moment, und ich wusste, dass er seine Worte sorgfältig wählte, dann:
    »Die derzeitige Terminologie lautet, glaube ich, von einer oder mehreren unbekannten Personen.«
    Der Sarkasmus troff aus dem Hörer. Ich hatte Jeff in diversen Stimmungen gekannt, gesehen, wie er durch Schmerz, Verzweiflung tappte, aber in diesem Ton hatte er noch nie gesprochen, und schon gar nicht mit mir. Ich versuchte, ihn davon wegzubekommen, fragte:
    »Ist er schlimm verletzt?«
    »Kommt drauf an, wie man schlimm definiert.«
    Zorn flackerte in mir auf, aber ich ließ ihn mir nicht anmerken, fragte:
    »Ist er bei Bewusstsein?«
    »Glücklicherweise nicht.«
    Jetzt konnte ich mich nicht mehr beherrschen, sagte:
    »Schleichen wir noch länger um den heißen Brei herum? Was soll ich tun? Dreimal raten?«
    »Mensch, Jack, du klingst ja richtig aufgebracht. Hätte gar nicht gedacht, dass es dir so wichtig ist, was mit Pat passiert ist.«
    Ich ließ ihm das durchgehen, wahrscheinlich weil es stimmte. Wenn ich jetzt auf ihn losging – und jede Faser meines Seins und Wesens drängte mich dazu –, konnte es sein, dass unsere Freundschaft sich nicht davon erholte. Mein Maul war der Grund für zahlreiche Katastrophen gewesen, ich stieg also dieses eine Mal nicht in den Ring. Ich wartete, fragte dann:
    »Wird er es schaffen?«
    »Ich hoffe nicht.«
    Das erwischte mich kalt, und ich konnte nicht weiter. Er sagte:
    »Wenn du kastriert worden wärst, würdest du es schaffen wollen?«
    Die Worte wurden ausgespien, das Gift spritzte nur so. Ich sagte:
    »Heiland.«
    »Ich glaube nicht, dass Er viel damit zu tun hatte.«
    »Wer denn?«
    Jetzt ließ seine Stimme nach, und eine tiefe Müdigkeit setzte ein. Er sagte:
    »Das habe ich dir bereits gesagt. Ich habe es dir sogar schon zweimal gesagt.«
    Was hatte er mir gesagt? Ich hatte keine Ahnung, fragte:
    »Was hast du mir gesagt?«
    Er stieß einen lange zurückgehaltenen Atemzug aus, sagte:
    »Du hast nicht zugehört. Wie Cathy ganz richtig sagt, du hörst nie zu.«
    Klick.
    Ich hielt den Hörer in der Hand, das Amtszeichen machte sich über mich lustig. Ich wollte ihn bei Nestor’s besuchen, zur Rede stellen und herausfinden, wovon zum Teufel er eigentlich sprach. Aber ich hatte nicht die Energie. Ging ins Bett und fühlte mich so mies wie nur je. Erwartete, mich die ganze Nacht zu wälzen und zu winden. Der Schlaf kam schnell und tief. Die Träume waren lebhaft.
    Meine Mutter, in einem offenen Grab, rief: »Jack, ich kann mich nicht rühren. Hilf mir.« Ich hatte eine Schaufel in der Hand und begann, den Lehm hineinzuschippen. Jeff hielt ein Exemplar von Synges Buch und flüsterte: »Warum hörst du nicht zu?«, und schmiss das Buch zu Boden. Das Buch fiel neben das Grab, und ich schrie: »Ich kann das nicht beerdigen. Ich verstehe nicht, was los ist.« Dann humpelte ich die Küstenstraße entlang, ohne meinen Stock. Margaret und Wellewulst waren ein Stück vor mir, höhnten: »He, hol uns doch ein!«
    Ich konnte es nicht.
    Als ich morgens aufwachte, sah das Bett aus, als wäre eine Bombe eingeschlagen. Ich war schweißüberströmt. Ich hatte das, was man einen emotionalen Kater nennt. Fast so schlimm wie der echte.

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