Ein Drama für Jack Taylor
aber eine Schätzung abgeben:
»Hoch?«
Sie nickte wütend, eine Spur Speichel im Mundwinkel. Ich überdachte meine ursprüngliche Meinung, sie sei attraktiv, erneut. Jetzt konnte ich sie als geisteskrank abhaken. Sie sagte:
»Sie können diesen Schleimscheißern sagen …«
Pause.
Sie sah mich an, fragte:
»Ist das das korrekte Wort?«
Wer war ich, dass ich mit ihr stritt? Es war nicht die Beschreibung, die ich von einer französischen Dame erwartet hätte. Ich hätte mit etwas Erlesenerem gerechnet, beleidigend, doch elegant, ist schließlich ihr Geburtsrecht. Jetzt war ich aber mit Nicken an der Reihe, wenn auch nicht ganz so energisch, und sie fuhr fort:
»Sie sagen denen, sie sollen zahlen.«
»Mach ich.«
Und ich ging davon. Ganz kurz hatte ich gedacht, ich frage sie, ob sie mit mir ausgeht; jetzt dachte ich, sie gehörte eingesperrt. Als ich zum Oxfam-Laden kam, riskierte ich einen Blick zurück. Sie stand immer noch da, die Hände in den Hüften, kochte vor Empörung. Ich bog rechts ab in Richtung Eyre Square Centre. Ich fragte mich, ob dies die »Mall« war, die mein amerikanischer Teenager frequentierte. Im Erdgeschoss ist ein von allen Seiten zugängliches Café. Ich ging an den Tresen, holte mir einen Espresso, sah den jungen blonden Typ, der mich verfolgte. Er winkte, zeigte auf einen freien Tisch und setzte sich.
Ich zahlte den Kaffee, und das Mädchen sagte:
»Einen ganz herrlichen Tag noch.«
Das warf mich um, und ich grummelte irgendeine vage Erwiderung. Es ist nicht leicht, eine Tasse zu tragen, wenn man am Stock geht, und ich brauchte etwas, bis ich den Tisch erreicht hatte.
Der blonde Typ stand auf, sagte:
»Lassen Sie mich helfen.«
Er nahm mir den Kaffee ab, stellte ihn hin und ließ sich dann selbst nieder. Aus der Nähe war er jünger, nicht älter als achtzehn. Ich setzte mich und sah ihm frontal ins Gesicht. Sein linkes Auge, da war etwas Ungewöhnliches an seinem linken Auge. Er lächelte, sagte:
»Jack Taylor.«
Als wären wir alte Freunde. Ich legte los:
»Wer zum Teufel sind Sie?«
Sein Lächeln verblich, Bestürzung breitete sich über sein Gesicht, als könnte er es nicht glauben, dass ich nicht wusste, wer er war. Er fragte:
»Sie erinnern sich nicht an mich?«
»Nein, ich erinnere mich nicht an Sie.«
Mit einem Stirnrunzeln zwischen den Augen, das das Ungewöhnliche an seinem linken Auge noch unterstrich, hing seine Nummer wesentlich davon ab, dass ich wusste, wer er war. Er sagte mit einer Ahnung von Verzweiflung in der Stimme:
»Ich bin Ronan Wall.«
Ich holte meine Lullen heraus, machte es langsam, eine ganze Zeremonie der Suche nach meinem Feuerzeug. Ungeduld durchrieselte ihn, und als ich mir irgendwann doch noch die Zigarette anzündete und den Rauch ausstieß, sagte ich:
»Sie sagen das, als sollte es irgendwas bedeuten. Für mich bedeutet es den letzten Kack, Kumpel.«
Das »Kumpel« wurde nicht gut aufgenommen. Seine Finger tippten auf den Tisch, und er sagte widerstrebend:
»Schwäne.«
Jetzt erinnerte ich mich. Vor ein paar Jahren wurden im Claddagh-Becken Schwäne geköpft. Die Stiftung zur Pflege und Förderung der Schwäne hatte mich zum Ermitteln angemietet. Nicht die beste Periode meines Lebens. Ich war tief in übelste Vorfälle verwickelt und brauchte etwas, um mich zu sortieren. Ich musste mich nachts gegen Mauern ducken, die Schwäne und inneren Dämonen abwehren. Allerdings fing ich den Schuldigen, einen sechzehn Jahre alten Jungen, schwerst gestört. Bei der Festnahme-Prozedur hatte er ein Auge verloren. Ich entsann mich, dass er einen privilegierten Hintergrund hatte, und die ganze Sache wurde unter den Teppich gekehrt. Von dem Auge abgesehen, sah er dem Irren, mit dem ich damals zu tun gehabt hatte, überhaupt nicht ähnlich. Ich sagte:
»Sie haben sich verändert.«
Jetzt war er wieder im Rennen. Er setzte sich gerade hin, antwortete:
»Komplett.«
Selbstgefälligkeit hatte sich in seine Stimme geschlichen, der Ton von jemandem, der es nach oben geschafft hat, nicht mehr für kleine Schwächen empfänglich ist. Ich drückte die Zigarette aus, sah ihm wieder frontal ins Gesicht, sagte:
»Ich meine, physisch.«
Er zog sich zurück, zögerte, dann:
»Ich bin geheilt.«
Ich spielte mit, sagte:
»Das ist ja schön. Kein Drang mehr, Schwäne zu massakrieren?«
Ich sah, wie er die Fäuste ballte. Die Munterkeit von eben entglitt ihm, und er versuchte ein Lächeln, sagte:
»Es ging mir damals nicht gut, aber ich bekam Hilfe,
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