Ein Drama in Livland
ich sogar in eigener Person!
– Du… Poch?
– Ja freilich, und die Braut, das ist die vortreffliche Zenaïde Parenzof.
– Ah, das reizende, junge Mädchen!… Wahrhaftig, das hätte ich nicht erwartet.
– Du erstaunst darüber?
– Nein, das eigentlich nicht; ihr werdet schon gut miteinander auskommen, obgleich du wohlgezählt deine fünfzig Jahre auf dem Rücken hast.
– Und Zenaïde ihre fünfundvierzig, Broks. Höchstens werden wir weniger lange miteinander glücklich leben können, das ist aber auch alles! Bedenke, Freundchen, lieben mag man ja, wann man will, heiraten aber soll man erst, wenn das die Verhältnisse erlauben. Sieh, ich war fünfundzwanzig Jahre alt, als mich’s packte, und Zenaïde gerade zwanzig. Zusammen besaßen wir aber keine hundert Rubel. Abwarten… klug sein! Als ich mir dann ein hübsches Sümmchen beiseite gelegt und sie von dem ihrigen eine annähernd ebenso große Mitgift zusammengespart hatte, da beschlossen wir endlich, unsere Ersparnisse zu heiraten, und heute… heute klimpert das Geld im Beutel. Ergeht das den ärmeren Leuten bei uns in Livland nicht immer ähnlich? Wenn man übrigens Jahre und Jahre aufeinander geharrt hat, dann liebt man sich nur um so mehr und braucht sich wegen der Zukunft nicht zu beunruhigen.
– Ja ja, du hast recht, Poch.
– Ich… ich habe schon eine gute Stelle in der Firma Johausen… fünfhundert Rubel jährlich, und am Hochzeitstage werden die beiden Brüder meinen Gehalt noch erhöhen. Zenaïde verdient ebensoviel. Wir sind also reich… natürlich reich nach unserer Art. Freilich besitzen wir noch nicht den vierten Teil von dem, was ich hier in der Mappe habe…«
Poch hielt plötzlich inne und warf einen mißtrauischen Blick auf seinen unbeweglichen Reisegefährten, der zu schlafen schien. Vielleicht waren seine Äußerungen doch etwas zu unvorsichtig gewesen. Bald darauf fuhr er aber fort:
»Jawohl, Broks, reich nach unserer Art. Mit unserem Ersparten, denke ich, wird Zenaïde wohl einen kleinen Materialwarenladen erwerben können. Nahe beim Hafen ist jetzt einer zu verkaufen…
– Und ich verspreche dir eine gute Kundschaft, Freund Poch! rief der Schaffner. –
– Schönen Dank, Broks, schönen Dank im voraus!… Das bist du mir schon für das Festmahl schuldig, wo ich dir einen besonderen Platz aufhebe…
– So?… Welchen denn?
– Einen ganz nahe der Braut! Du wirst schon sehen, wie hübsch Zenaïde da aussieht in ihrem Hochzeitskleide, den Myrtenkranz im Haar und mit dem Halsbande, das ihr Frau Johausen schenkte.
– Ich glaub’s dir, Poch, ich glaub’ es gern! Eine so gute Frau kann auch nur eine schöne Frau sein. Wann findet denn die Feierlichkeit statt?
– In vier Tagen, Broks, am sechzehnten dieses Monats. Eben darum ersuche ich dich: laß die Jemschiks sich beeilen. An den nötigen Gläschen zur Unterstützung werde ich’s nicht fehlen lassen. Daß sie mir nur nicht die Pferde an der Deichsel einschlafen lassen! Dein Postwagen trägt einen Bräutigam, und der darf doch während der Fahrt nicht zu sehr altern!
– Ja freilich, das würde Zenaïde von dir nicht hübsch finden, meinte der lustige Schaffner lachend.
– O, das wackere Mädchen! Und wenn ich noch zwanzig Jahre älter wäre, sie nähme mich dennoch!«
Infolge der vertraulichen Mitteilungen, die der Bankbeamte seinem Freunde Broks gemacht hatte, wurden – der nötige Schnaps versagte seine Wirkung auch nicht – die Pferdewechselstellen schnell erreicht und noch niemals war wohl die Post von Riga in so kurzer Zeit befördert worden.
Die Landschaft bot noch immer denselben Anblick: weite Ebenen, aus denen im Sommer der scharfe Duft des Hanfes aufstieg. Die allgemein schlecht unterhaltenen Straßen waren oft nur durch die Radspuren von Wagen und Karren bezeichnet. Zuweilen zog sich der Weg am Saume großer Wälder hin, die wie immer aus Ahornbäumen und Birken oder aus Tannendickichten bestanden, die unter dem Drucke des Sturmwindes seufzten. Auf den Straßen und den Feldern waren nur wenige Menschen zu sehen. Der harte Winter dieser hohen Breiten war ja kaum vorüber. Da es Broks an Nachhilfe für die Pferde nicht fehlen ließ, rollte der Wagen schnell von Dorf zu Dorf, von Weiler zu Weiler, von einem Pferdewechselplatze zum anderen. Eine Verzögerung war nicht zu befürchten, auch nicht durch den tollen Wind, der von rückwärts her wehte.
Beim Ausspannen und beim Einschirren stiegen der Bankbeamte und der Schaffner regelmäßig ab; der
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