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Ein Drama in Livland

Ein Drama in Livland

Titel: Ein Drama in Livland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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nicht wieder geöffnet worden ist.
    – Danach stände es also fest, daß sein Plan zur Abreise an jenem Abend schon vorlag.
    – Darüber kann kein Zweifel bestehen, äußerte hierzu Delaporte.
    – Nein… kein Zweifel, stimmte ihm der Arzt bei. Und am nächsten Morgen hast du, liebes Kind, nach Durchlesung des zurückgelassenen Zettels auch nicht zu erfahren gesucht, welche Richtung er beim Fortgange von zuhause eingeschlagen haben mag?
    – Wie hätte ich das gekonnt und warum sollte ich es auch versucht haben? antwortete Ilka. Mein Vater wird seine Gründe gehabt haben, sich gegen niemand, nicht einmal gegen seine Tochter, darüber auszusprechen. Ich bin überhaupt weniger deshalb unruhig, daß mein Vater so schnell fortgegangen ist, als deshalb, daß sich seine Abwesenheit verlängert.
    – Nein, liebes Kind, o nein! erwiderte der Doktor Hamine, der das junge Mädchen auf jeden Fall beruhigen wollte, noch ist Dimitri ja nicht länger fort, als er vermutet und vorhergesagt hatte, und heute Abend, oder spätestens morgen, wird er schon zurückgekehrt sein.«
    Im Grunde sorgte sich der Arzt eigentlich mehr um die Ursache der plötzlichen Reise, als um diese selbst.
    Delaporte und er verabschiedeten sich hierauf von Ilka mit dem Versprechen, am Abend wiederzukommen, um Nachricht über Dimitri zu erhalten.
    Das junge Mädchen sah ihnen nach, als sie weggingen, und blieb auf der Schwelle der Haustür stehen, bis die beiden Herren hinter einer Biegung der Straße verschwunden waren. Dann begab sie sich nachdenklich und von düsteren Ahnungen erfüllt nach ihrem Zimmer.
    Fast gleichzeitig kam im Bureau des Majors Verder eine Tatsache zur Sprache, die mit dem Verbrechen im »Umgebrochenen Kreuze« eng in Verbindung stand und die Behörde auf die Spur des Schuldigen zu führen versprach.
    Am Morgen desselben Tages war die von Eck befehligte Polizistenabteilung nach Riga zurückgekehrt.
    Bekanntlich war diese Patrouille nach dem Norden der Provinz geschickt worden, wo seit einiger Zeit sich häufende Vergehen gegen Personen und Eigentum vorgekommen waren. Es sei hier auch daran erinnert, daß Eck acht Tage vorher in der Nachbarschaft des Peipussees nach einem aus den sibirischen Bergwerken entwichenen Flüchtling gefahndet und diesen bis in die Nähe von Pernau verfolgen konnte. Der Flüchtling war ihm freilich durch sein Übertreten auf die treibenden Eisschollen der Pernowa aus den Augen gekommen.
    Ob der Verbrecher dabei umgekommen sein mochte?… Das war zwar anzunehmen, doch immerhin nicht sicher. Gerade Eck selbst bezweifelte es am meisten, weil niemand die Leiche des Flüchtlings, weder im Hafen, noch an der Mündung der Pernowa, gefunden hatte.
    Nach Riga zurückgekehrt, begab sich Eck, den es drängte, dem Major Verder seinen Bericht abzustatten, eiligst nach dessen Amtszimmer. Da hörte er aber von dem Morde im »Umgebrochenen Kreuze«, doch gewiß ahnte niemand, daß er den Schlüssel zu dem so geheimnisvollen Vorgang besäße.
    Nicht gering war deshalb auch das Erstaunen, war die Befriedigung des Majors Verder, als er vernahm, daß der Brigadier ihm einige Aufklärung bezüglich des Verbrechens bringen konnte, nach dessen Urheber man noch vergebens spähte.
    »Wie?… Der Mörder des Bankbediensteten?
    – Er selbst, Herr Major…
    – Du hast Poch gekannt?
    – Gewiß, und ich habe ihn am Abend des dreizehnten zum letztenmal gesehen.
    – Wo denn?
    – In dem Kabak von Kroff.
    – Du warst also selbst da?
    – Jawohl, Herr Major, mit einem meiner Leute, ehe wir nach Pernau zurückkehrten.
    – Und du hast mit dem unglücklichen Manne gesprochen?
    – Wenigstens einige Minuten; und ich füge noch hinzu: wenn der Mörder, wie alle Umstände vermuten lassen, der Reisende gewesen ist, der Poch begleitete, der Reisende, mit dem er in der Schenke übernachtete, so kenne ich auch diesen…
    – Was?… Du kennst ihn? rief der Major Verder eifrig.
    – Ja, wenn der Mörder nämlich der in Frage stehende Reisende war…
     

    »Du bleibst bei deiner Aussage?« (S. 138.)
     
    – Daran ist nach dem Ergebnis der Tatbestandsaufnahme nicht zu zweifeln.
    – Nun, Herr Major, so will ich ihn Ihnen nennen. Ich fürchte nur, Sie werden mir nicht glauben wollen.
    – Ich werde deiner amtlichen Aussage glauben.
    – Diese lautet, antwortete Eck, folgendermaßen: Jener Reisende, mit dem ich jedoch kein Wort gewechselt habe, den ich aber gleichwohl mit Sicherheit erkannte, wenn er sein Gesicht auch mit der Kapuze zu verbergen

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