Ein Drama in Livland
suchte… war kein anderer als der Privatlehrer Dimitri Nicoles…
– Dimitri Nicolef! rief der Major Verder verblüfft. Er?… Das ist unmöglich!
– Ich hatte Ihnen schon gesagt, daß sie meiner Aussage keinen Glauben schenken würden,« wiederholte der Brigadier.
Der Major Verder war aufgestanden und durchmaß das Zimmer mit großen Schritten.
»Dimitri Nicolef! murmelte er. Dimitri Nicolef?«
Wie, dieser Ehrenmann, der als Kandidat für die nächsten städtischen Wahlen aufgestellt war, der Gegner der einflußreichen Familie Johausen, dieser Russe, auf den sich alles Sehnen und Trachten, alle Forderungen der slawischen gegenüber der germanischen Partei vereinigten, der Günstling der moskowitischen Regierung… der sollte der Mörder des unglücklichen Poch sein?…
»Du bleibst bei deiner Aussage? fragte der Major den Brigadier, vor dem er stehen geblieben war.
– Ich bleibe dabei.
– Hatte Dimitri Nicolef denn Riga verlassen?
– Gewiß… wenigstens weilte er gerade in jener Nacht nicht hier. Das wird sich übrigens leicht näher feststellen lassen.
– Ich werde einen Polizisten nach seiner Wohnung schicken, antwortete der Major Verder, und werde auch Herrn Frank Johausen ersuchen lassen, sich hier einzufinden. Du… du bleibst vorderhand hier.
– Zu Befehl, Herr Major.«
Dieser erteilte zwei wachhabenden Polizisten seine Befehle, und die Leute gingen daraufhin sofort ab.
Zehn Minuten später war Frank Johausen schon beim Major erschienen, und der Brigadier Eck wiederholte vor ihm seine frühere Aussage.
Man kann sich wohl, ohne daß wir hier eigens darauf eingehen, die Empfindungen vorstellen, die die Seele des Bankiers bei dieser Erklärung durchwühlten.
Endlich lieferte ein am wenigsten erwarteter Zwischenfall, ein Verbrechen, ein gemeiner Mord, ihm den Wettbewerber, den er mit seinem Hasse verfolgte, in die Hände!… Dimitri Nicoles… der Mörder Pochs!
Du hältst deine Aussage aufrecht? fragte der Major, an den Brigadier gewendet, diesen zum letzten Male.
– Vollkommen aufrecht! erklärte Eck in einem Tone, aus dem man sein Überzeugtsein heraushörte.
– Wenn er nun Riga aber gar nicht verlassen hätte? sagte jetzt Johausen.
– Er hat und hatte es jedoch verlassen, versicherte Eck. In der Nacht vom dreizehnten zum vierzehnten dieses Monats ist er nicht in seiner Wohnung gewesen, denn ich habe ihn da auswärts gesehen… mit eigenen Augen gesehen… und habe ihn mit Sicherheit erkannt.
– Wir wollen vorläufig die Rückkehr des Mannes abwarten, den ich nach der Wohnung Dimitri Nicolefs geschickt habe, nahm der Major Verder wieder das Wort. Er muß in wenigen Minuten wieder hier sein.«
Frank Johausen nahm einstweilen am Fenster Platz und überließ sich dem Aufruhr seiner Gedanken. Er wollte ja glauben, daß der Brigadier sich nicht getäuscht hätte, und doch lehnte sich in ihm ein gewisses Gerechtigkeitsgefühl gegen eine so schwere Beschuldigung unwillkürlich auf.
Der Polizist kam zurück und meldete das Ergebnis seiner Sendung:
»Herr Dimitri Nicolef sei frühmorgens am dreizehnten von Riga abgereist und bis jetzt noch nicht zurückgekehrt.«
Damit war die Aussage Ecks, wenigstens zu einem Teile, bestätigt.
»Ich hatte also recht, Herr Major, sagte dieser, Dimitri Nicolef hat seine Wohnung am dreizehnten früh am Morgen verlassen. Poch und er haben die abgehende Postkutsche benutzt. Gegen sieben Uhr abends ist dem Wagen ein Unfall zugestoßen, und dessen beide Insassen sind um acht Uhr in den Kabak »Zum umgebrochenen Kreuze« gekommen, um da die Nacht zuzubringen. Hat nun der eine der Reisenden den anderen umgebracht, so ist Dimitri Nicolef der Mörder!«
Frank Johausen zog sich zurück, einesteils erschüttert, anderenteils triumphierend über diese entsetzliche Nachricht, die sich ohne Zweifel schnell verbreiten würde. Und so geschah es: es war, als ob eine durch die Stadt sich hinziehende Pulverlinie durch einen Funken entzündet worden wäre… Dimitri Nicolef der Urheber des Verbrechens im »Umgebrochenen Kreuze«!
Zum Glück erreichte die Neuigkeit nicht das Ohr Ilka Nicolefs. Ihr Haus blieb dem Gerüchte verschlossen. Der Doktor Hamine wachte darüber. Auch am Abend, als Delaporte und er sich in dem bekannten Zimmer eingefunden hatten, fiel kein Sterbenswörtchen über diese Angelegenheit. Beide hatten übrigens nur mit den Achseln gezuckt: Nicolef ein Mörder?… Nein, das konnten sie nicht glauben.
Inzwischen hatte der Telegraph gespielt. Die
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