Ein Drama in Livland
ein Mann am östlichen Ufer des Peipussees. In der Nacht wagt er sich über die Eisschollen, die, wirr durch-und übereinander geschoben, die Fläche des Sees bedecken. Eine Patrouille von Zollwächtern, die auf der Spur eines Paschers zu sein glaubt, folgt ihm nach und gibt auf ihn Feuer in dem Augenblicke, wo er für sie hinter Eisblöcken verschwindet. Der Mann bleibt unversehrt und es gelingt ihm, in eine Fischerhütte zu flüchten, worin er sich den Tag über verborgen hält.
Am Abend macht er sich von neuem auf den Weg, muß vor einer Herde Wölfen flüchten und findet Unterschlupf in einer Windmühle, aus der der wackere Müller ihm ein Entweichen ermöglicht. Sehr bald von einer Patrouille des Brigadiers Eck verfolgt, rettet er sich wie durch ein Wunder noch einmal, indem er es wagt, auf hinabtreibende Eisschollen der Pernowa zu springen. Ein Wunder war es gewiß, daß er in dem Schollentreiben des Flusses nicht umgekommen ist, und daß er sich einige Zeit hatte in Pernau aufhalten können, ohne entdeckt zu werden.
Wladimir Yanof ist der Sohn Johann Yanofs, eines alten Freundes Dimitri Nicolefs, der diesem kurz vor seinem Tode sein ganzes Vermögen zur Aufbewahrung anvertraut hatte. Dieses Depot von zwanzigtausend Rubeln sollte Wladimir Yanof zurückgegeben werden, wenn der Verbannte in seine Heimat zurückkehrte.. vorausgesetzt, daß das jemals der Fall war.
Wir wissen ja, infolge welcher politischen Ereignisse er tief nach dem östlichen Sibirien und nach den Salzbergwerken von Munisinsk verschickt worden war. Das Gericht hatte ihn zu lebenslänglicher Deportation verurteilt. Konnte da seine Verlobte, Ilka Nicolef, noch die Hoffnung hegen, daß er ihr je zurückgegeben werde, daß er eines Tages in seiner Adoptivfamilie, der einzigen, die ihm auf Erden verblieben war, Glück und Ruhe finden werde?…
Nein, wohl kaum; jedenfalls würden sich die beiden niemals wiedersehen, wenn Ilka nicht die Erlaubnis bekam, ihm in die Verbannung zu folgen oder… wenn es ihm nicht gelang, zu entfliehen.
Nach vier qualvollen Jahren ist er aber entflohen und hat die sibirischen und die europäischen Steppen des russischen Reiches unter tausend Schwierigkeiten durchmessen.
So ist er bis Pernau gekommen, wo er hoffte, sich nach Frankreich oder England einschiffen zu können. Dort hat er sich versteckt und die Polizei irre zu führen verstanden, während er nach einem Schiffe spähte, das ihn aufnehmen würde, sobald die Ostsee genügend eisfrei geworden wäre.
In Pernau angelangt, sah sich Wladimir Yanof aber am Ende seiner Mittel. Er schrieb deshalb an Dimitri Nicolef, und dieser Brief war es gewesen, der den Lehrer zu seiner Reise veranlaßte, um dem Sohne die ihm von dessen Vater anvertrauten Gelder auszuhändigen.
Hatte Nicolef vor seiner Reise weder gegen seine Tochter, noch gegen seine Freunde etwas erwähnt, so geschah das, weil er sich erst von der Anwesenheit Wladimirs in Pernau überzeugen wollte, und heimgekehrt, schwieg er ebenso, weil der Verbannte ihn hatte schwören lassen, Ilka von seinem Verstecktsein in Pernau nichts zu sagen, jedenfalls nicht eher, als bis ein zweiter Brief ihm meldete, daß der Flüchtling im Auslande und in Sicherheit sei.
Dimitri Nicolef hatte Riga also heimlich verlassen. Seinen Platz in der Post bezahlte er bis nach Reval, um niemand vermuten zu lassen, wohin er sich begäbe, er hatte sich aber von Anfang an vorgenommen, die Post in Pernau zu verlassen, wo er im Abenddunkel einzutreffen hoffen durfte, und ohne den Wagenunfall zwanzig Werst vor seinem Ziele wäre die Fahrt ja auch in erwünschtester Weise verlaufen.
Wir wissen schon, welch beklagenswerte Verkettung von Umständen den Plan Dimitri Nicolefs vereiteln sollte. In Gesellschaft mit dem Bankbeamten hatte er eine Nacht im Kabak »Zum umgebrochenen Kreuze« zubringen müssen. Von hier war er um vier Uhr morgens aufgebrochen, um nach Pernau zu wandern, da ihm das ratsamer erschien, als die Rückkehr des Postschaffners abzuwarten und jetzt… jetzt beschuldigte man ihn, seinen Reisegenossen ermordet zu haben!
Als Dimitri Nicolef die Schenke an der Landstraße verließ, war es noch völlig finster, und in der Hoffnung, ungesehen zu bleiben, eilte er auf dem noch ganz verlassenen Wege nach Pernau. Nach zweistündiger schneller Wanderung traf er mit Sonnenaufgang in Pernau ein und begab sich sofort nach dem Gasthause, wo Wladimir unter falschem Namen wohnte.
Welche Freude für die beiden Männer, einander nach so langer
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