Ein düsteres Weihnachtsmärchen (German Edition)
Fell. Der Kleine spürte die Unruhe in seinem menschlichen Freund und wurde selbst zappelig.
„Ganz ruhig, mein Kleiner.“ Julian kraulte Wolly hinter dem rechten Ohr. „Wir beide schaffen das schon.“
Hoffentlich schaffen wir das.
Julian versuchte die aufsteigende Angst zu verdrängen, doch es wollte ihm nicht gelingen. Am liebsten wäre er einfach davongerannt, auch wenn er sich das nicht so wirklich eingestehen konnte. Die Anspannung in ihm wurde schier unerträglich. Er schloss die Augen und drückte Wolly fest an sich. Egal wie lange, er würde warten. Und wenn ihn die Angst umbrachte.
Julian schreckte auf. Er war weggedämmert. Nicht wirklich tief, aber er schien doch irgendwie abwesend gewesen zu sein. Er starrte auf die große Wanduhr, die am gegenüberliegenden Ende des Zimmers stand. Es war mittlerweile zwei Uhr. Verwundert wischte er sich übers Gesicht. Er hatte scheinbar doch tiefer geschlafen, als vermutet.
Der Krampus war immer noch nicht gekommen. Aber das sollte nichts heißen, noch blieben vier Stunden übrig. Erst um sechs Uhr in der Früh, musste der Krampus wieder in die Hölle zurückkehren.
Julian schaute auf Wolly. Das Wollhörnchen lag friedlich in seinen Armen, die Augen halb geöffnet. Auch der Nager konnte keinen Schlaf finden, wirkte jedoch ruhig.
Insgeheim hoffte Julian, der Krampus würde nicht auftauchen. Immerhin war es schon spät. Vielleicht kam der Dämon auch nicht. Das hätte er sich dann auch nicht vorwerfen müssen, denn er war schließlich hier und wartete auf ihn.
Er betete dafür.
Doch dann …
Ein Stapfen im Schnee war vor der Haustür zu hören. Irgendjemand war da draußen. Wolly wurde plötzlich unruhig und fiepte aufgeregt.
„Sei still!“ Julian versuchte das Tier zu beruhigen und drückte es an sich.
Die Schritte waren nun ganz nah und hörten abrupt auf. Es war klar, irgendjemand stand direkt vor der Tür.
Ein fetter Kloß steckte in Julians Hals. Seine Muskeln verkrampften und eine dicke Gänsehaut bildete sich auf seinem kompletten Körper.
Dann plötzlich hörte er, wie sich der Drehknopf der Eingangstür herumdrehte und diese langsam nach innen öffnete. Er wollte hinter dem Sofa hervorlugen, doch er traute sich einfach nicht. Sein Puls begann zu rasen. Panik machte sich in ihm breit.
Wolly , der das Unheil spürte, war ganz still geworden und drückte sich an ihn. Jetzt war es soweit. Der Krampus kam ins Haus.
Die Tür öffnete sich langsam, quietschend und knarrend. Ein kalter Windhauch bahnte sich seinen Weg durch die Wohnstube. Julian zuckte abermals zusammen und drückte Wolly ganz fest.
Er hörte nun, wie jemand das Zimmer betrat. Die Schritte wirkten schwer und tumb. Mit einem Male drang ein stechender Geruch in Julians Nase. Und es war gewiss nicht das verweste Fleisch, daran hatte er sich nun schon gewöhnt. Nein, es war etwas viel Widerwärtigeres. Ein Gestank, wie er ihn noch nie gerochen hatte.
Die Wolke der Verwesung.
Schlagartig kamen ihm die Ausführungen des Großvaters in den Sinn. Es gab keinen Zweifel, das Böse hatte sich Zutritt in sein Elternhaus verschafft.
Vorsichtig spähte Julian hinter dem Sofa hervor. Das Mondlicht fiel in die Kammer und so konnte er die Umrisse des Eindringlings erkennen.
Er schluckte seinen Schrei hinunter. In der Kammer stand ein Wesen, das jeden Mann, den er je gesehen hatte, überragte. Er konnte es nur schemenhaft erkennen, aber die Gestalt musste am ganzen Körper mit langem, zotteligem Fell bedeckte sein.
Langsam bewegte sich das Wesen auf den Teller mit dem verfaulten Fleisch zu. Es keuchte und röchelte in einem furchtbaren Ton. Julians Nackenhaare stellten sich auf. Dann sah er weiterhin, wie sich das Wesen zum Fleisch hinunter beugte.
Durch das einfallende Mondlicht konnte Julian nun das Gesicht der Kreatur erkennen. Es war eine furchterregende Fratze, deren Anblick ihn abermals fast schreien ließ.
Giftig gelbe Augen starrten auf den Gabenteller. Darunter prangte eine krumme, lange Nase, mit riesigen Atemlöchern. Aus dem großen Maul ragten spitze Reißzähne. Das war definitiv der hässlichste Geselle, den Julian jemals gesehen hatte.
Doch der widerliche Anblick wurde noch schlimmer. Der Mund öffnete sich langsam und eine lange, tiefrote Zunge kroch heraus. Speichelfäden tropften von dem langen Lappen. Der Krampus beugte sich ein weiteres Stück hinunter und leckte über den verwesten Schweinekopf.
Julian musste wegschauen, es drehte ihm schier den Magen
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