Ein düsteres Weihnachtsmärchen (German Edition)
hoffentlich ein Scherz. Man könnte meinen, da redet so einer aus diesen Märchen oder Gruselgeschichten. Nur, dass wir uns hier in der Realität befinden. Das ist kein Spiel, Julian!“
„Davon bin ich auch nie ausgegangen. Aber mal im Ernst, wer soll denn jemals etwas gegen diesen Fluch unternehmen? Das kann doch nicht für immer so bleiben.“
„Und warum ausgerechnet wir?“
„Weil wir die Auserwählten sind.“
Hannah schüttelte energisch den Kopf. „Was soll dieser Unsinn? Spinnst du jetzt etwa? Von wegen auserwählt. Wir sollten einfach nach Hause gehen.“
Julian protestierte. „Immerhin sind wir die ersten Kinder, die das Geheimnis vor ihrem dreizehnten Geburtstag erfahren haben.“
„Das weiß du doch gar nicht. Vielleicht sind wir nicht die Ersten.“
„Oh doch. Bedenke nur die Geheimniskrämerei, die immer um die Sache gemacht wird. Großvater hat es uns doch nur verraten, weil wir ihn praktisch dazu gezwungen haben. Wir sind die Ersten!“
Hannah verlor langsam die Geduld. „Das macht uns trotzdem noch lange nicht zu Auserwählten. Mir reicht es jetzt mit der Diskussion. Ich gehe jetzt heim. Und dir würde ich das auch empfehlen, es wird immer dunkler.“
„Wir haben doch erst Nachmittag. Der Krampus kommt erst um Schlag Zehn heute Abend, da brauchen wir keine Angst zu haben. Das hat Großvater selbst gesagt.“
„Und wenn schon. Mich gruselt es. Ich will einfach im mein warmes, gemütliches Zimmer und nicht mehr an diesen Krampus denken.“
Sie erwartete eine Reaktion von ihrem Freund, doch der war mit seinen Gedanken schon längst an einem anderen Ort. „Wie können wir ihn nur unschädlich machen?“, murmelte Julian vor sich hin.
Hannah ging nun energisch auf ihn zu und gab ihm einen Stoß. „Hör endlich auf damit!“
„Aber Hannah … ich glaube, ich weiß, wie wir ihn für immer verbannen können.“
„Und wie?“ Die Frage klang eher entnervt, als interessiert.
„Wir müssen dafür sorgen, dass er keine Opfergaben mit in die Hölle nehmen kann. Wir müssen ihm also irgendwie seinen Sack wegnehmen.“
„Ach so. Na wenn es weiter nichts ist. Vielleicht fragen wir ihn einfach danach und er gibt ihn uns freiwillig. Du spinnst doch!“
„Nein! So meine ich das nicht. Wir müssen ihm den Sack irgendwie abjagen. Oder …“ Plötzlich leuchteten seine Augen. „Aber ja! Wir müssen den Sack zerstören!“
„Und wie soll das gehen?“
„Ich weiß nicht - irgendwie. Und zwar kurz, bevor der Krampus zurück in die Hölle geht.“
Hannah seufzte. „Du schaffst mich wirklich.“ Sie ging einen weiteren Schritt auf ihn zu und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. Julian errötete abermals. Dann nahm sie Wolly von ihrer Schulter und setzte ihn auf seine. „So, der Kleine wohnt schließlich in deinem Garten. Ich bitte dich wirklich, mach keine dummen Sachen heute Nacht. Ich gehe jetzt nach Hause. Frohe Weinachten. Vielleicht sehen wir uns morgen Mittag. Komm einfach bei mir vorbei.“ Sie wandte sich ab und lief davon.
Julian wollte noch etwas sagen, doch der warme Kuss wirkte glühend auf seiner Wange nach. Hannah hatte recht. Es war völlig bescheuert sich mit dem Krampus anzulegen. Und er wusste auch selbst nicht, warum er überhaupt darüber nachdachte. Dennoch ließ ihn der Wunsch nicht los, etwas gegen den Fluch zu unternehmen.
Als Julian so Richtung Elternhaus schlenderte, kam ihm plötzlich der richtige Einfall. Es war sonnenklar. Er musste diesen Sack einfach anzünden, ihn verbrennen!
Eilig beschleunigte er seine Schritte. Bald schon passierte er die ersten Hütten von Tanngrün. Alles war festlich geschmückt. In den Fenstern brannten Kerzen und rundherum waren Tannenschmuck und festlich verzierte Tannenbäume zu sehen. Ein beschauliches Bild bot sich dar. Doch Julian konnte es nicht so genießen, wie er diesen Anblick sonst immer genoss. Diesmal hatte er es eilig. Er musste schnell in Vaters Schuppen, hinten im Garten. Dort musste sich noch eine Kanne mit flüssigem Brennstoff befinden.
Normalerweise nutzte Julians Vater den Brennstoff für das Osterfeuer, dass sie im Frühjahr immer veranstalteten. Im Ortskern von Tanngrün wurde ein großer Haufen von Ästen und Reisig aufeinander getragen und anschließend angezündet. Danach gab es Getränke und Essen. Julians Vater hatte stets die Ehre das Feuer zu entzünden. So war es längst alte Familientradition. Auch schon Großvater Maximilian und dessen Vorfahren hatten das getan und eines Tage würde
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