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Ein dunkler Gesang

Ein dunkler Gesang

Titel: Ein dunkler Gesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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tun.»
    «Wann war das genau?», fragte Jane.
    «Ich würde sagen, so etwa 1924 .
Die geraden Wege der alten Zeit
war noch nicht veröffentlicht worden, also wussten nicht so viele Leute, worum es dabei ging. Wenn jemand einem Grundbesitzer erklärte, ein prähistorischer Weg hätte über sein Gelände geführt und dieser Weg wäre schon in der Steinzeit benutzt worden, dann hatte das für viele Menschen überhaupt keine weitere Bedeutung. Und ganz bestimmt nicht für meinen Großvater.»
    Gomer sagte: «Er war wohl im Ersten Weltkrieg, oder, Ihr Großvater?»
    «Ja, Mr. Parry, das war er. Und er soll vollkommen verändert wiedergekommen sein. Danach wollte er nichts weiter als ein ruhiges Leben auf seinem eigenen Grund und Boden. Es war kein sehr großer Bauernhof, aber immerhin. Meine Großmutter dagegen ging gern in Konzerte und ins Theater, aber ihn interessierte das alles nicht mehr. Und er wurde sofort misstrauisch, wenn jemand sein Grundstück betrat. Und ganz besonders, wenn dieser Jemand mit einer so merkwürdigen Ausrüstung anrückte wie Mr. Watkins. Sie können sich bestimmt denken, was das war, oder, Jane?»
    «Hat er nicht manchmal Vermessungsinstrumente dabeigehabt?»
    «Vermessungsinstrumente?» Mrs. Kingsley lachte. «Guter Gott, damit wäre er nicht mal bis an die
Haustür
gekommen. Nein, seine
Kamera
… das war schon zu viel. Tante Margaret, die damals noch zu klein war, um sich zu erinnern, hat später gehört, wie es war. Mr. Watkins hat eine Weile am Weidengatter gestanden und ist dann quer über die Weide zum gegenüberliegenden Gatter am Fuß des Cole Hill gegangen. Dann kam er zurück und sagte: ‹Mr. Probert, würden Sie mir gestatten, einige fotografische Aufnahmen zu machen?›»
    «Vermutlich war seine Kamera ziemlich schwer.»
    «Und sie stand auf einem großen Stativ. Kameras waren damals in Herefordshire eine Seltenheit. Eine Aufnahme von sich machen zu lassen war eine große Sache. Beinahe eine Zeremonie. Mit diesem Bild würde man in die Geschichte eingehen, und deshalb musste man so gut wie möglich aussehen. Und natürlich war dieses Feld überhaupt nichts Besonderes, und es stand halb unter Wasser, weil es so stark geregnet hatte. Also hat Großvater gesagt: ‹Auf keinen Fall.› Schließlich wollte er nicht für einen schlechten Bauern gehalten werden, so wie das Feld aussah.»
    Mrs. Kingsley hielt ein verblichenes Sepiafoto hoch, auf dem ein Paar zu sehen war, das vor einem ziemlich ärmlichen Cottage stand. Der Mann trug eine Krawatte, eine Weste und eine Melone und einen überaus ernsten Ausdruck im Gesicht.
    «Mr. Watkins hat alles versucht, um ihm zu erklären, dass dieses Feld archäologisch bedeutsam war und er es in ein Buch aufnehmen wollte. Aber damit hat er natürlich alles nur noch schlimmer gemacht. Ein Buch! Dann würde der Zustand des Feldes bis in alle Ewigkeit zu sehen sein, und sämtliche Bauern würden über ihn lästern. Daher tat mein Großvater das Einzige, was ihm angemessen erschien – er bat Mr. Watkins respektvoll, sofort sein Grundstück zu verlassen. Mr. Watkins kam ein weiteres Mal wieder, um ihn zu überreden, aber inzwischen hatte mein Großvater mit einem anderen Gemeinderatsmitglied gesprochen, das ihm erklärt hatte, Mr. Watkins’ Ideen seien reine Hirngespinste.»
    «Es ändert sich doch wirklich gar nichts, oder?», sagte Jane.
    «Mein Großvater wollte Mr. Watkins auch dann noch keine Aufnahmen von dem Feld machen lassen, als er versprach, sie nicht in das Buch aufzunehmen. Und er hat ihn
wieder
weggeschickt. Meiner Großmutter war das natürlich unglaublich peinlich. Sie war, wie ich schon sagte, eine sehr kultivierte Dame mit ihren Büchern und ihrem Aufziehgrammophon.»
    «So etwas hatten damals nich viele Leute», sagte Gomer.
    «Das stimmt, Mr. Parry. Und wissen Sie, ich glaube, es war dieses Grammophon, das die Situation gerettet hat.»
    Mrs. Kingsley stand auf und ging zu einer Kommode.
    «Ich habe versucht, so viel wie möglich darüber zu erfahren, seit ich die Papiere geerbt habe. Immerhin könnte unsere Familie dadurch einen Platz in der Geschichte bekommen.»
    Gomer sah sie mit gewitztem Blick an. «Gerry Murray is wohl nich so an Geschichte interessiert, nehm ich an, oder?»
    «Und auch nicht so knapp bei Kasse, wie er meine Tante Margaret hat glauben lassen.» Mrs. Kingsley schnaubte wütend. «Hat extra seinen Steuerberater mit zu ihr geschleppt, um sie von seiner prekären finanziellen Lage zu

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