Ein dunkler Gesang

aus seine Chöre dirigieren.»
    Der Himmel im Westen hatte sich kupfern verfärbt, und in der Luft stand die Hitze. Merrily registrierte, dass sie und Lol beinahe flüsterten, als ob die Eiche alles aufsaugen könnte, um es an kommende Generationen weiterzugeben.
    Lol sagte: «Willst du nach Wychehill zurück, um nachzusehen, ob sie dort ist?»
    «Und wenn sie kommen, während ich weg bin? Sie nehmen vielleicht nicht denselben Weg wie wir. Loste kennt hier in der Gegend jeden Pfad.»
    «Ich kann ja hierbleiben, wenn du möchtest.»
    «Allein?
Hier?
»
    Er zuckte mit den Schultern.
    «Wychehill ist weniger als zehn Minuten entfernt», sagte Lol. «Und wir haben beide unsere Handys dabei.»
    «Okay … Nur …»
    «Mach keine heidnischen Experimente? Merrily, ich bin nicht Jane. Ich wüsste ja nicht mal, wie etwas Heidnisches gemacht wird.»
    Lol begleitete Merrily nach Whiteleaved Oak zum Auto. Einmal schaute sich Merrily nach der Eiche um, die in der Landschaft stand wie ein fetter alter Wanderprediger. Oder vielleicht wie ein Dirigent, die Äste wie ein Gewirr von Armen, die einen Dreihundertsechzig-Grad-Radius sakraler Klänge heraufbeschworen.
    Die Bäume singen meine Musik –
oder singe ich ihre
?
    Also wirklich.
    Merrily war froh, dass sie von der Eiche wegkam. Nicht so froh war sie darüber, dass Lol blieb.

50 Bei Dunkelheit auf dem Land
    Als sie mit Gomer nach Ledwardine zurückfuhr, konnte Jane es kaum erwarten, Mom und Lol die Neuigkeiten zu erzählen.
    Endlich hatte sie festen Boden unter den Füßen. Konnte etwas vorweisen. Schließlich hatten die Typen vom Gemeinderat besonders darauf hingewiesen, dass Coleman’s Meadow nicht in
Die geraden Wege der alten Zeit
vorkam. Und jetzt hatte sie den Beweis dafür, dass Watkins die Weide und ihre Bedeutung gesehen hatte, genau wie …
    … genau wie
Elgar
.
    Der vermutlich bekannteste britische Komponist. Ein auch international geachteter Musiker – dass er damit zu tun hatte, konnte
garantiert niemand
ignorieren, oder?
    Es ging nur noch darum, die unglaublichen Bilder zu fotokopieren, und Mrs. Kingsley schien nichts dagegen zu haben.
    Dieser Durchbruch war allein Gomer zu verdanken.
    Wie er so mit der Zigarette zwischen den Lippen, der Mütze auf den Knien und dem dichten weißen Haar hinter dem Steuer saß, konnte man glauben, er konzentriere sich aufs Autofahren, aber in Wahrheit dachte er natürlich über etwas ganz anderes nach.
    Kurz vor Ledwardine verlangsamte er die Fahrt.
    «Dies neue Freizeitzentrum. Was meinste eigentlich dazu?»
    «Es schien einfach plötzlich festzustehen, dass es gebaut wird. Kein Mensch in Ledwardine hat je gesagt, dass wir so was brauchen. Mom wusste auch nicht, woher die Idee kam.»
    «Soso», sagte Gomer. «Schätze, das war die Idee von Stu Twigg.»
    «Von wem?»
    «Dem gehört das Grundstück, auf dem die Dorfhalle steht. Hatter letztes Jahr von seim alten Herrn geerbt. Das war Gwyn Twigg. Hatte ne Tankstelle Richtung Monkland. Dann hat der Supermarkt in Leominster aufgemacht, samt ner Billigtanke, und Gwyn musste den Laden zumachen, aber ihm gehörn noch mehrere Grundstücke, die sin ein paar Hunderttausender wert. Un als er gestorm is, kriegt Stu das Geld. Is aber n fauler Hund, der Stu Twigg. Nennt sich Automechaniker, aber in Wahrheit motzt er bloß alte Klapperkisten auf un erschreckt Leute auf der Straße zu Tode.»
    «Jetzt weiß ich, wer das ist», sagte Jane. «Der fährt einen weißen Jaguar.»
    «Genau das isser.»
    «Einmal ist Irene beinahe in den Graben gefahren, weil der Typ wie ein Verrückter um die Kurve gekommen ist.»
    «Aber so verrückt, dasser die Grundstückspreise hier nich kennen würd, isser auch wieder nich», sagte Gomer. «Wasser an Pacht für das Grundstück mit der Dorfhalle kriegt, isn Witz. Egal, es heißt, Stu würd ernsthaft mit irgendwelchen Supermarktketten verhandeln.»
    «Damit sie bauen können?»
    «Un wie’s aussieht, glauben sie, es gibt nur eine einzige Stelle in Ledwardine, wo so’n Supermarkt hinpasst. Bloß dass da noch so ne lästige Dorfhalle draufsteht.»
    Und diese Dorfhalle stammte aus den sechziger Jahren und war inzwischen leicht heruntergekommen.
    Jane sagte: «Wenn es also eine
neue
Dorfhalle gäbe … die woanders gebaut würde …»
    «Oder so’n feudales neues Freizeitzentrum mit nem Sportplatz, da bräuchte man sowieso n größeres Grundstück. Vielleicht ein Feld außerhalb vom Dorf. Wenn man so was hätte …»
    «Also könnte Stu die Dorfhalle