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Ein dunkler Gesang

Ein dunkler Gesang

Titel: Ein dunkler Gesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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Größeres. Es war ein Krieg.
    Aber
Winnie
?
    «Manchmal ist die Hürde sehr niedrig, Merrily. Aber glücklicherweise wird bei der Armee, und ganz besonders in Einsatzgebieten, eine sehr hohe Hürde dagegengesetzt, und die nennt man Ausbildung.»
    «Und ohne das?»
    «Ohne Ausbildung gibt es kein effizientes Vorgehen und kein sicheres Urteilsvermögen. Und hier haben wir es mit einer vermeintlichen Rechtfertigung zu tun, die außer Kontrolle geraten ist.»
    «Ihre Tochter hatte eine Beziehung mit Louis.»
    «Sie wollte kein Wort gegen ihn hören. Er kann ja auch sehr charmant sein. Na gut, er war verhaftet worden, weil er während einer Demonstration gegen das Jagdverbot den Bodyguard eines Parlamentsmitglieds angegriffen hat. Er war völlig fertig, als das Verbot durchgesetzt wurde – der arme Junge, sein ganzes Leben hatte sich aufgelöst. Also ist er an den Wochenenden in die Stadt gefahren, um seinen Frust loszuwerden … wurde mit Drogen geschnappt, ist auf Kaution freigekommen. Dem Anschein nach hatte ihn das zur Vernunft gebracht, und er hat sich geändert.»
    Merrily dachte an die fünf Minuten, die sie mit Louis Devereaux gesprochen hatte, mit diesem modebewussten, gebildeten, attraktiven jungen Mann, der gern flirtete.
    «Er war einer der Gründe, aus denen Sie Emily aus Wychehill weg haben wollten?»
    «Er war einer der Gründe, aus denen ich
Winnie
aus Wychehill weg haben wollte.»
    «Syd …», Merrily verschluckte sich am Rauch ihrer Zigarette. «Ich verstehe immer noch nicht, warum die beiden das getan haben. Okay, Wicklow war ein Eindringling aus der Stadt. Aber Winnie … Ich verstehe es einfach nicht.»
    Syd bog unterhalb des Herefordshire Beacon auf die Straße nach Ledbury ein.
    «Das würde jetzt zu lange dauern, Merrily, und ich bin immer noch nicht ganz sicher. Ihr Freund ist da draußen. Und er weiß nicht, was heute Abend passiert ist, oder?»
     
    Als ihm die merkwürdigen weißen Wolken am nördlichen Himmel zum ersten Mal aufgefallen waren, hatte Lol gedacht, er hätte bei der weißen Eiche sein Zeitgefühl verloren und die Helligkeit wäre die Morgendämmerung. Aber das Licht stand in der falschen Himmelsrichtung. Über den Malverns hingen ungewöhnlich helle Wolken, luftig, weiß und schimmernd.
    Sie beleuchteten das Tal wie ein riesiges Sportstadion, und Lol fing an, das Muster zu erkennen … die Struktur.
    Das jedenfalls war keine Phantasie: Tim Loste arbeitete an einer Komposition im theatralischen, fast opernhaften Stil von Elgars
Der Traum des Gerontius
. Und das Stück handelte von Gerontius. Besser gesagt, von den spirituellen und emotionalen Herausforderungen Elgars, der mit diesem Stück eine metaphysische Welt orchestrieren wollte.
    Aber es ging auch um Lostes eigene Verbindungen mit Gerontius und Elgar. Einige dieser Verbindungen hatte Loste für sich selbst konstruiert, andere stammten von Winnie Sparke. Bizarr. Aber Kunst durfte bizarr sein.
    «Als Sie nach Wychehill kamen, war es, als würden Sie in eine andere Welt eintreten. In Elgars Welt. Und Winnie ist Ihr Schutzengel. Haben Sie das wirklich in einem Traum gesehen?»
    Tim riss die Augen auf. Es war jetzt hell genug, um zu erkennen, dass sein Blick immer noch nicht ganz konzentriert war.
    «Ich hatte einen schrecklichen, entsetzlichen Traum. Ich habe geträumt, Winnie würde bluten. Sie hat sich die Seele aus dem Leib geschrien. Ich habe … die Schatten der Dämonen gesehen. Aber ich konnte nichts tun. Warum bloß konnte ich nichts tun?»
    Lol betrachtete die Flecken auf Tims Unterhemd.
    «Wann war das?»
    «Ich weiß nicht. Gestern Abend? Ent… entsetzlich.» Er starrte Lol an. «Hören Sie, ich … woher wissen Sie das alles über mich?»
    «Ich kenne nur ein paar Leute, mit denen Sie gearbeitet haben.»
    «Und was tun Sie hier?»
    «Ich glaube, ich wollte … etwas lernen. Ich bin Musiker.»
    «Ja.» Tim schien das zu akzeptieren. Seine Gedanken waren wieder abgeschweift. «Ich bin nächtelang durch die Hügel gegangen und habe mir
G
angehört.»
    «Gerontius.»
    «Ich wäre am liebsten gestorben, weil ich wusste, dass ich niemals so gut sein würde. Ich war verlobt, und sie wollte, dass wir nach London ziehen. Aber da kannte ich Winnie schon, und sie sagte, ich dürfte Elgar nicht verlassen. Bei der Arbeit lief es ziemlich schlecht. Mir wurde alles zu viel. Ich habe immer wieder
G
gehört. Habe getrunken. Wollte tot sein.»
    «Aber dann hat Ihnen Winnie gesagt, dass Sie nicht sterben müssen. Winnie hat Sie

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