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Ein dunkler Gesang

Ein dunkler Gesang

Titel: Ein dunkler Gesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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können. Aber das Schicksal wollte es anders. Es wäre mir lieb, wenn der Gemeinderat ein offizielles Kondolenzschreiben an die Familien der beiden jungen Leute schicken würde. Denn was auch immer einige von uns über den
Royal Oak
denken …»
    Leises Gemurmel signalisierte Zustimmung.
    «Gut», sagte Preston Devereaux. «Und jetzt … Frage Nummer zwei. Die einfache Antwort lautet: Nein, ich habe ihn natürlich nicht gesehen!»
    Gelächter. Devereaux erhob sich halb.
    «Danke, meine Damen und Herren. Und wenn jetzt niemand mehr etwas zu sagen hat, würde ich die Versammlung gerne schließen. War dahinten noch eine Meldung?»
    «Ja, wenn ich nur kurz …»
    Das würde sie wahrscheinlich noch bereuen. Merrily zog den Reißverschluss der Kapuzenjacke auf.
     
    «Oh, wow, hast du das gesehen?»
    Jane stand auf dem halb abgerutschten, riesigen Deckstein, der keilförmig aufragte. Sie schaute nach Südwesten, und das Abendrot hüllte sie ein wie eine leuchtende Orange. Jane hatte das Gefühl, dass sie einfach springen und in einer schnurgeraden Linie zu dem krummen Berg am Horizont fliegen könnte.
    Arthur’s Stone war das beeindruckendste prähistorische Relikt in Herefordshire. Es hockte wie ein Dinosaurierskelett auf dem Merbach Hill über dem Golden Valley, das sich bis nach Wales erstreckte. Arthur’s Stone war kein einzelner Stein, sondern eine ganze Formation. Es waren die Überreste eines Dolmen, eines Cromlech oder einer bronzezeitlichen Beerdigungskammer, die einst mit Erde bedeckt gewesen war.
    Alfred Watkins hatte mehrere Leys entdeckt, die über diese Stätte führten und sie mit Dorfkirchen, Hügelgräbern und den Ruinen einer mittelalterlichen Burg verbanden.
    Und wenn man wie Jane oben auf dem Arthur’s Stone stand, konnte man in der dunstigen Ferne …
    «Das ist der Skirrid, oder?», sagte Eirion.
    Als hätte er Zweifel daran, dass dies der heilige Berg von Gwent war, den er jeden Tag von seinem Schlafzimmerfenster aus sah. Der Vulkanberg hatte sich der Legende nach in dem Moment gespalten, in dem Christus am Kreuz gestorben war.
    Jane ließ den vergangenen Tag noch einmal Revue passieren. Es war einer dieser wilden, rauschhaften Tage gewesen, deren Magie man erst erkannte, wenn sie schon beinahe vorüber waren.
    Sie hatte Eirion davon überzeugt, nicht zur Schule zu gehen. Er hatte schließlich sämtliche Hauptfachprüfungen schon hinter sich. Sie waren zu ihm nach Abergavenny gefahren und hatten auf seinem Computer die Coleman’s-Meadow-Dokumentation mit den Fotos und Zitaten aus
Die geraden Wege der alten Zeit
zusammengestellt. Und dann, als sein Vater und seine Stiefmutter aus dem Haus waren, hatten sie miteinander geschlafen.
    Danach hatte Jane versucht, Mom anzurufen, um ihr, ohne direkt zu lügen, zu sagen, dass Eirion sie von der Schule abgeholt hatte. Aber Mom war nicht da gewesen, und Jane erinnerte sich, dass sie zu einem Gemeinderatstreffen hatte gehen wollen und sie demzufolge noch Stunden mit Eirion verbringen konnte.
    Die Alfred-Watkins-Biographie von Ron Shoesmith hatte Jane auf «Vineyard Croft» gebracht. Das war das Haus am Wye gewesen, in dem Alfred Watkins dreißig Jahre lang mit seiner Frau Marion gelebt hatte. Doch sie fanden das Haus nicht. Viel einfacher war es, das Haus zu finden, in das die Watkins anschließend gezogen waren und das kurz hinter der Grünanlage der Kathedrale stand. Es hing sogar eine Gedenktafel neben der Haustür – vermutlich die einzige Art Denkmal, die Alfred gewidmet worden war.
    «Es sollte eine offizielle Alfred-Watkins-Gedenk-Ley geben», sagte Eirion. «Einen Ort, von dem aus man die ganze Linie vor sich hätte.»
    «Damit sogar diese Idioten vom Gemeinderat mitkriegen würden, worum es geht?»
    «Die könnten der Linie trotzdem nur folgen, wenn sie mit Hinweisschildern auf neueröffnete Großmärkte und Gartencenter gepflastert wäre.»
    Wir verstehen uns wirklich, hatte Jane gedacht. Und in ein paar Wochen ist er weg.
    Sie hätte beinahe angefangen zu weinen und kletterte von dem Stein herunter, bevor sie in Versuchung geriet, sich in den Horizont zu stürzen.
     
    Normalerweise wurde sie von Einzelpersonen angesprochen, deren Weltsicht durch unerklärliche Erfahrungen aus den Fugen gegangen war. Merrily hatte es noch nie mit einer ganzen Gemeinde oder einem Verein zu tun gehabt. In Gruppen dominierte gewöhnlich der Skeptizismus.
    «Ich verstehe das nicht, Herr Vorsitzender», sagte Merrily.
    «Könnten Sie sich bitte vorstellen,

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