Ein dunkler Gesang
Madam?», sagte Preston Devereaux.
«Ich bin … Merrily Watkins.»
«Wirklich?»
«Ich bin in der Diözese von Hereford Beraterin für … paranormale Angelegenheiten. Und …», sie sah, dass sich Joyce Aird zu ihr umgedreht hatte, «der Pfarrer hatte mich gebeten, heute Abend zu kommen.»
«Anscheinend hat er vergessen, mir das zu sagen», meinte Devereaux. «Aber nachdem dieses Thema ja nun schon abgehakt wurde …»
«Es wurde eigentlich nicht so richtig abgehakt, oder? Es wurde nur unter den Teppich gekehrt.»
Viele Köpfe drehten sich zu ihr um.
«Mrs. Watson …»
«Watkins. Ich bin beileibe keine Verschwörungstheoretikerin, aber ich habe in den letzten Jahren genügend Vertuschungsversuche gesehen, um …»
«Madam!» Der Hammer fuhr so heftig nieder, dass er wahrscheinlich eine Delle in die Tischplatte schlug. «Gegen wen wollen Sie diese Beschuldigung erheben?»
«Ich beschuldige niemanden …»
«Ich glaube, Sie kommen besser hier nach vorne, Hochwürden, und begründen, was Sie eben gesagt haben.»
Preston Devereaux rückte den Stuhl neben sich für Merrily zurecht und sagte in den Kirchenraum hinein: «Können wir ein bisschen mehr Licht haben?»
19 Es loswerden
Merrily trat neben den Sitzungsleiter hinter den Tisch und ließ ihren Blick über die Versammlung schweifen. Winnie Sparke fiel durch einen weißen Häkelschal auf.
«Die Hauptqualifikation für diese Arbeit ist, wie ich festgestellt habe, eine hohe Peinlichkeitsschwelle.»
Niemand lächelte.
«Der Gemeindepfarrer, der heute nicht hier zu sein scheint, hat mir erzählt, dass wenigstens vier Personen auf der Straße ein unerklärliches Licht gesehen haben, manchmal außerdem eine menschliche Gestalt. Und jedes Mal, wenn dieses Licht gesehen wurde, folgte ein Unfall.»
Sie hielt inne. Nahmen Tim Loste und Stella Cobham an der Versammlung teil? Oder waren sie von derselben Person, die Joyce Aird mundtot gemacht hatte, überredet worden, nicht zu kommen?
«Mr. Holliday hat heute Abend seine Überzeugung vorgebracht, dass das alles nur abergläubischer Unsinn ist. Und das hat er mir vorsorglich auch auf den Anrufbeantworter gesprochen, als er mich heute anrief, um mir zu raten, nicht zu dieser Versammlung zu kommen.»
Wenigstens ein bisschen Gemurmel. Merrily sah Holliday mit steinerner Miene links vorne in einer Bank sitzen.
«Wenn ich Mr. Holliday vorhin richtig verstanden habe, hat er zunächst geglaubt, dass das mutmaßliche Phänomen als Werbegag nützlich wäre … um mehr Aufmerksamkeit auf seine Kampagne gegen die Vorgänge im
Royal Oak Pub
zu lenken. Um damit in überregionale Zeitungen zu kommen oder sogar ins Fernsehen.»
Merrily sah zu Holliday hinüber und lächelte ihn herzlich an – dieser aufgeblasene Heuchler.
«Man kann die Fernsehbeiträge direkt vor sich sehen, oder? Lange Aufnahmen von den Hügeln bei Sonnenuntergang, unterlegt mit ein bisschen ruhiger, romantischer Musik von unserem …
Radfahrer
.»
Preston Devereaux’ Stuhl knarrte.
«Mrs. Watkins, ich glaube …»
«Und dann wird es dunkel», sagte Merrily. «Und wir sehen den
Royal Oak Pub
, hinter dessen Fenstern Stroboskoplicht zuckt und Bässe wummern, die über den gesamten Parkplatz zu hören sind. Und dann kommt Mr. Holliday ins Bild und erklärt mit grimmiger Miene seine Forderungen an den Bezirksrat.»
«Mrs. Watkins.»
«Schon gut … tut mir leid.» Sie wandte sich Devereaux zu. «Herr Vorsitzender, Sie haben uns vor ein paar Minuten mitgeteilt, dass Sie in den Momenten vor dem schrecklichen Unfall kein merkwürdiges Licht und keinen merkwürdigen Fahrradfahrer gesehen haben. Aber wo sind diejenigen, die ihn gesehen haben wollen? Ist zum Beispiel Mr. Loste heute Abend hier? Ich denke nämlich, dass alle Stimmen gehört werden sollten, bevor eine Entscheidung getroffen wird.
Mr. Loste?
»
Schweigen.
«Tja … danke, Herr Vorsitzender. Das war alles, was ich sagen wollte. Und ich wollte nicht, dass jemand denkt, ich wäre nicht gekommen, obwohl ich eingeladen wurde.»
Unter dem Geflüster der Anwesenden nahm Merrily ihre Tasche auf. Preston Devereaux sagte nichts. Sie ging rund um den Tisch und zurück in Richtung der Bänke.
«Warten Sie.» Eine große Frau mit schwarzem Oberteil und rotem Haar war aufgestanden.
Merrily blieb stehen und lehnte sich ans Ende einer Bank.
«Ich habe es gesehen», sagte die Frau. «Diesen Mann auf einem Fahrrad … Er war direkt vor mir. Und ich war nicht betrunken, ganz egal, was
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