Ein dunkler Gesang
hatten.»
«War er Vogelbeobachter?»
«Mr. Khan war total geschockt. Hat mir hoch und heilig versichert, dass er Roman sofort gefeuert hätte, wenn ihm irgendwas verdächtig vorgekommen wäre. Und wissen Sie, ich glaube, er war
wirklich
geschockt.
‹Mr. Wicklow hat auf dem Beacon gedealt?›
»
«Sie nehmen ihm tatsächlich ab, dass er nichts davon wusste?»
«Diese Art Drogenhandel wäre Raji viel zu vulgär und außerdem zu nahe an seinem eigenen Laden. Ja, ich glaube ihm, dass er nichts wusste. Wicklow war sozusagen freiberuflich tätig. Hat seine Kontakte wahrscheinlich in den Pubs von Great Malvern geknüpft und sich dann mit der Kundschaft draußen an der frischen Luft verabredet, dort, wo man eine so wundervoll weite Aussicht hat, dass man jeden sehen kann, der sich nähert, und noch dazu eine schöne Höhle als Versteck.»
«Und deshalb hat Khan nichts damit zu tun?»
«Oh, das habe ich nie behauptet.» Bliss senkte die Stimme. «Wenn er herausgefunden hätte, dass da einer von seinen Leuten nebenbei Geschäfte macht, hätte er daraus sicher geschlossen, dass es an der Zeit ist, ein Exempel zu statuieren, damit sich nicht noch jemand einfallen lässt, seine Anstellung bei ihm für so etwas auszunutzen … das würde jedenfalls erklären, warum all die schönen Vorräte am Tatort gelassen wurden.»
«
Er
hat Wicklow ermordet?»
Bliss lächelte. «Das muss man erst mal beweisen.»
Merrily lehnte sich zurück. «Also schließen Sie einen Ritualmord inzwischen aus?»
«Ernsthaft kam so was eigentlich nie in Betracht. Außerdem hat Doc McEwens seine Theorie über den Haufen geworfen, nach der es unbedingt mehrere Täter gewesen sein müssen. Die Wunde am Hinterkopf deutet eher darauf hin, dass Wicklow zuerst zusammengeschlagen und dann zu dem Stein gezerrt wurde, wo man ihm die Kehle durchgeschnitten hat. Wenn man das Überraschungsmoment bedenkt, kann es durchaus ein Einzeltäter gewesen sein.»
«Und lange hätte es auch nicht gedauert, nehme ich an.»
«Nein.» Bliss sah sie aus zusammengekniffenen Augen an. «Schon komisch, dass es passiert ist, als Sie gerade in der Nähe waren.»
«Sie halten es für möglich, dass
ich
es war?»
«Fällt Ihnen vielleicht was Besseres ein, durch das der kleine Francis Bliss zu Annie Howes allergrößtem Lieblingspolizisten werden könnte?»
Als Merrily ins Torhausbüro kam, war Sophie nicht da. Auf dem Anrufbeantworter waren vier Nachrichten, nur eine davon hatte nichts mit dem üblichen Bürokram zu tun und war keine vier Minuten zuvor hinterlassen worden.
«Mrs. Watkins, hier spricht Winchester Sparke.»
Winchester?
«Ich muss mit Ihnen reden.» Winnie Sparkes Stimme klang heiser und gehetzt. «Bitte rufen Sie mich zurück. Ich … Tim ist verhaftet worden.»
24 Herr des Schreckens
Merrily rief Bliss auf seinem Handy an.
«Moment mal.» Sie hörte ihn eine Treppe hinuntergehen, und dann war er auf der Straße. «Ja, ich habe es auch gerade erfahren. Hat mich überrascht. Wissen Sie etwas über den Mann?»
«Er ist Komponist. Und Musiklehrer. Was wird ihm denn vorgeworfen?»
«Das weiß ich nicht, Merrily, ist nicht mein Fall.»
«Können Sie es herausfinden?»
«Wenn ich mich unbeliebt machen will. Ich spreche diesen abgedroschenen Satz ja ungern aus, aber: Was ist für mich drin? Und ich meine
nicht
, dass Sie für mich beten sollen. Sie sind schließlich Protestantin.» Er schniefte. «Na gut, hier kommt meine geniale Vermutung: Es handelt sich um ein frevelhaftes Verbrechen.»
«Ist ein frevelhaftes Verbrechen das, was ich mir darunter vorstelle?»
«So wie ich es sehe, sind hier zwei Dealer aus der Region innerhalb von vierzehn Tagen ausgeschaltet worden. Ich hatte Ihnen doch von dem Typ in Pershore erzählt, oder?»
«Aber sagten Sie nicht, er wäre in seinem Auto erschossen worden? Dann passt der Modus Operandi nicht gerade hundertprozentig, finde ich.»
«Ach was, Modus Operandi. Pershore liegt nur eine halbe Stunde Fahrt von Wychehill entfernt. Aber ist das für Annie Howe relevant? Oh nein, das ist alles viel zu mickrig und kleinkariert. Annie will ein
frevelhaftes Verbrechen
. Worunter ich verstehe, dass eine oder mehrere normalerweise gesetzestreue Personen durch den vermeintlichen Zusammenbruch all dessen, was ihnen lieb und teuer ist, dazu getrieben werden, sämtliche gesellschaftlich anerkannten Verhaltensformen abzulegen.»
«Das wäre Selbstjustiz, Frannie. Ich habe Tim Loste nicht kennengelernt, und ich weiß kaum
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