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Ein dunkler Gesang

Ein dunkler Gesang

Titel: Ein dunkler Gesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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etwas über ihn. Aber ein Musiker und Chorleiter, auch wenn er eine Menge Probleme hat, erscheint mir nicht gerade als der offensichtlichste Serienmörder von Drogendealern.»
    «Das ist völlig egal. Annie will Loste, weil er weiß ist und aus dem Mittelstand kommt. Ich werd mal sehen, was ich herausfinden kann, und melde mich wieder.»
     
    «Sie haben sich am Montag krankgemeldet», sagte Morrell.
    Krank
war für Morrell ein Schimpfwort. Er trainierte an drei Abenden die Woche in der Turnhalle, lief in London beim Marathon mit, und seine Haut war das ganze Jahr über leicht gebräunt.
    Jane nickte. «Ich hatte Migräne. Die bekomme ich manchmal im Sommer.»
    «Und die hat bis gestern Abend angehalten.»
    «Na ja, ich
wollte
gestern kommen, und ich bin auch zur Bushaltestelle gegangen und … da hatte ich auf einmal schon wieder Migräne.»
    «Warst du beim Arzt, Jane?»
    «Nein … ich weiß ja, was es ist. Es ist Migräne. Das hatte ich früher auch schon. Es ist … schrecklich. Zuerst sieht man lauter schwarze Punkte, und dann …»
    «Es kommt und geht, oder?»
    «Ja, genau so ist es. Es kommt und … geht.»
    «Und diese … passenderweise so unberechenbare Migräne hatte anscheinend gerade nachgelassen, als du Lyndon Pierce am Montag Abend einen Überraschungsbesuch abgestattet hast.»
    Oh Gott.
    «Ich … hm, die Migräne hatte gegen Abend nachgelassen, also habe ich einen Spaziergang an der frischen Luft gemacht, um einen klaren Kopf zu bekommen … und da bin ich zufällig dort vorbeigekommen und … habe mit diesen Leuten geredet. Ich wusste zuerst nicht, wer sie überhaupt sind. Nur, wissen Sie, ich beziehe bei meinem Kunstprojekt Aspekte der Lokalgeschichte ein, und da hab ich gedacht, dass ich, wo ich mich doch ein bisschen besser gefühlt habe, auch an dem … Projekt arbeiten könnte, und deshalb … Es tut mir leid, Rob, das klingt vermutlich …»
    «Ja, allerdings, Jane.»
    «Ich habe … ich wollte nicht …»
    Janes Entschlossenheit fiel in sich zusammen. Sie mochte die Regel nicht, dass alle Oberstufenschüler Morrell mit Rob ansprechen konnten. Als wären sie alle gute Freunde. Wenn man dann etwas tat, was nicht okay war, kam es einem nämlich vor, als hätte man einen Freund enttäuscht. Und das war total lächerlich, denn Jane würde nie im Leben einen Freund wie Morrell haben, mit seinem Jogginganzug, seiner Solariumsbräune, seinem rasierten Schädel, seinem minimalistisch eingerichteten Büro und seinem Tony-Blair-Lächeln …
    Und jetzt hatte er es wieder im Gesicht. Dieses ekelhafte Lächeln, und dann lehnte er sich in seinem Chefsessel zurück und sprach mit dieser widerwärtigen Lässigkeit weiter, mit der er die Idioten vom Schulamt davon überzeugt hatte, dass er für diesen Job geeignet war.
    «Jane, erklären Sie mir doch mal … welcher Teil Ihres Kunstprojekts es erfordert, gewählte Mitglieder und Beamte des Bezirksrats von Herefordshire dafür zu kritisieren, dass sie ihren Aufgaben als demokratisch gewählte Volksvertreter nachkommen, indem sie für den notwendigen Bau von Wohnhäusern auf dem Land sorgen, die es Ihnen und Ihren Mitschülern ermöglichen, in dieser Gegend zu bleiben, statt Gehaltsmigranten zu werden?»
    Bis Jane seine Worte richtig nachvollzogen hatte, war es für eine clevere Antwort zu spät.
    «Vielleicht sollte ich Ihnen noch einmal verdeutlichen, Miss Watkins, dass Sie als Oberstufenschülerin eine Botschafterin unserer Schule in der Öffentlichkeit sind. Verstehen Sie, was ich meine?»
    Jane nickte bloß.
    «Gut. Um uns weitere Peinlichkeiten zu ersparen, habe ich dem Bezirksratsmitglied Mrs. Bird, die uns auch im Schulbeirat vertritt, dieses eine Mal erklärt, dass Sie freihatten, um an Ihrem Projekt zu arbeiten.»
    «Danke», sagte Jane schwach.
    «Und ich wäre
Ihnen
dankbar», Morrells Faust krachte auf den Schreibtisch, «wenn Sie dem Namen unserer Schule mit Ihren Lügen und Phantasien zukünftig keine Schande mehr machen. Haben Sie verstanden, was ich gesagt habe?
Das nächste Mal …
»
    Jane nickte.
    «Gut», sagte Morrell. «Und jetzt raus.»
    Er beugte sich über seine Papiere. An der Tür drehte sich Jane noch einmal um. «Es sind aber keine
preiswerten
Häuser, es sind teure Luxus…»
    «Gehen Sie endlich, Jane», murmelte Morrell. «Sie fangen an, mich zu langweilen.»
    Jane stolperte in den Korridor. Sie spürte, dass sie knallrot war. Es war echt …
stalinistisch
: Die blöde Kuh vom Schulbeirat hatte Morrell Bescheid gegeben,

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