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Ein dunkler Gesang

Ein dunkler Gesang

Titel: Ein dunkler Gesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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sich Merrily, ob er sich vielleicht ein bisschen davor fürchtete, das größere Schlafzimmer zu benutzen, weil es Lucy Devenishs Zimmer gewesen war.
    «Und gleichzeitig habe ich das Gefühl, dich zu vernachlässigen», sagte sie zu Lol.
    «Also, auf manche Gefühle sollte man unbedingt hören», sagte Lol. Sie lachten. Dann erzählte sie ihm alles über Winnie Sparke und Tim Loste und ihr wundervolles Geheimnis und ihren eigenen miesen Vormittag.
    «Ich bin müde. Ich bekomme keinen Überblick über diese Geschichte. Die Leute ändern ihre Meinung über Nacht. Zuerst soll ich etwas tun, dann wieder nicht. Zuerst wollen sie mit mir reden, und dann … ganz besonders Winnie Sparke.»
    «Damit ich es richtig verstehe. Wer außer Loste hat Elgar gesehen?»
    «Stella Cobham. Die jetzt aber nichts mehr mit der Sache zu tun haben will, weil sie
plötzlich
beschlossen haben umzuziehen. Es entscheidet doch niemand über Nacht, dass er nach Amerika auswandert! Das muss sie bei der Versammlung schon gewusst haben. Deshalb hat sie sich dort auch alles so hemmungslos von der Seele geredet, hat die Brücken zu Preston Devereaux abgebrochen, dem sonst anscheinend niemals jemand widerspricht, weil er
Old
Wychehill repräsentiert.»
    «Man kann also durchaus annehmen», sagte Lol, «dass Elgar eine psychologische Projektion von Tim Loste ist.»
    «Ja, das finde ich auch. Allerdings … wenn man die Schwelle erst einmal überschritten hat … und die Persönlichkeit hinter der Projektion stark genug ist … kann eine psychologische Projektion möglicherweise auch von Dritten wahrgenommen werden.»
    «Kann ich dir irgendwie helfen?», fragte Lol.
    «Ich will dich nicht bei deiner Arbeit stören.»
    Lol lachte.
    «Ich komme immer wieder an den Punkt», sagte Merrily, «dass ich mit der wichtigsten Person in dieser Geschichte noch nicht gesprochen habe.»
    «Loste.»
    «Inzwischen sieht es ja so aus, als wäre er die Schlüsselfigur für beide Geheimnisse: für diese Elgar-Sache und für den Mord auf dem Beacon, ob er es nun getan hat oder nicht. Und der Schlüssel zu Tim Loste ist Winnie Sparke, die nicht mehr mit mir redet. Wahrscheinlich wollte sie ohnehin nie viel erzählen, sondern eher mich auschecken. Aber warum?»
    «Es muss noch andere Möglichkeiten geben», sagte Lol. «Zum Beispiel hat so ein Chor eine Menge Mitglieder.»
    «Kennst du jemanden davon? Ich nicht.»
    «Noch nicht. Aber Musiker sind ja manchmal richtig besessen. Ich kümmere mich darum.»
    «Danke, Lol. Und danke, dass du auf Jane achtest, die ich … ich mache überhaupt nichts richtig, oder? Ich bin eine lausige Mutter, eine lausige Freundin, eine unfähige Exorzistin und eine inkompetente Pfarrerin.»
    «Bloß gut, dass du nicht auch noch an mangelndem Selbstbewusstsein leidest», sagte Lol.
    Sie gingen ins Erdgeschoss hinunter. Merrily nahm sich vor, den Rest des Tages mit Gemeindearbeit zu verbringen, bevor sie am nächsten Tag noch einen letzten Versuch starten würde, mit Wychehill klarzukommen. Oder, genauer gesagt, mit Winnie Sparke.
    «Und ich möchte mir Coleman’s Meadow ansehen.»
    «Heute Abend?»
    «Warum glaubt Jane, dass Lyndon Pierce irgendwelche Geheimpläne zur Vergrößerung des Dorfes hat?»
    «Weil er vermutlich welche hat. Mach dir keine Sorgen. Gomer versucht, Genaueres herauszufinden.»
    «Das ist beruhigend.» Merrily setzte sich auf das Sofa und rauchte eine halbe Zigarette. «Oder auch nicht. Pierce hat früher Blaumeisen abgeschossen, also hat er keine Chance mehr, sich in Janes Augen jemals zu rehabilitieren. Und was ist, wenn Sparke recht hat und Loste nicht der Mörder ist?»
    «Dann wird Annie Howe das selbst herausfinden. Sie ist schließlich keine schlechte Polizistin, sie mag dich einfach nur nicht. Übrigens springen deine Gedanken hin und her, als würdest du mit einer Fernbedienung herumzappen.»
    «Es gibt viel zu viele Sender heutzutage», sagte Merrily. «Das ist das Problem.»
     
    Der Grabstein bestand aus einem niedrigen, abgerundeten Sandsteinkeil, über den die Zweige eines Apfelbaums aus dem alten Obstgarten hinter der Mauer hingen. Es war vermutlich das kleinste, unauffälligste Grab auf dem gesamten Friedhof.
    Jane hätte es auch blind gefunden.
    Lucy Devenish.
    Winzige Buchstaben, keine Daten. Das hatte Lucy testamentarisch so bestimmt. Wenn das ein Zeichen dafür war, dass Lucy an ihre immerwährende Präsenz in Ledwardine geglaubt hatte … kein Geburtsdatum … kein Sterbedatum …
    Dieser Gedanke jagte

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