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Ein dunkler Gesang

Ein dunkler Gesang

Titel: Ein dunkler Gesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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Jane jedes Mal einen Schauder über den Rücken, doch es war ein angenehmer Schauder.
    Sie wandte sich zur Kirche um. Lucys Grab lag ganz am Ende des Friedhofs, dort, wo hinter einem niedrigen Gattertürchen der Pfad durch den Obstgarten begann, der einst das gesamte Dorf umgeben hatte.
Ledwardine – Das Dorf im Obstgarten
 – lautete in manchen Reiseführern immer noch die Bezeichnung. Und es war der Totenweg. Daran gab es keinen Zweifel.
    Früher waren die Toten in einer Prozession über diesen Weg durch den Obstgarten auf den Friedhof getragen worden. Es stand dort noch eine lange, steinerne Bank ohne Rückenlehne, auf der die Träger den Sarg abgesetzt hatten. Das vordere, überdachte Friedhofstor war eine relativ moderne Ergänzung.
    Jane sah zum Kirchturm hinüber und stellte sich vor, was Lucy gesehen haben mochte …
oder in diesem Moment gerade sah
: den Friedhof als kreisförmige Lichtung im Obstgarten. Vielleicht hatte es dort, wo jetzt der christliche Kirchturm aufragte, einmal einen prähistorischen Steinkreis gegeben.
    Der Kirchturm war als Wegweiser natürlich viel effektiver als ein Steinkreis. Schon aus großer Entfernung konnte man dank ihm die Linie erkennen, die bis zum Cole Hill führte. Jane hatte das Gefühl, dass Heidentum und Christentum oft auf demselben
geraden Weg
gegangen waren. Sie war sicher, dass es das war, was Alfred Watkins instinktiv gespürt hatte, auch wenn ihn die Archäologen verspottet hatten, als er Kirchen des Mittelalters mit dem aus der neolithischen Zeit stammenden System der Leys in Verbindung gebracht hatte.
    Habe ich das Richtige getan?
Sie wusste es immer noch nicht.
    Jane ging durch das vordere Friedhofstor auf den Marktplatz, von dort in die Gasse, dann in den verwilderten Obstgarten hinter der Church Street und vorbei an der Erhebung des Hügelgrabes, falls es wirklich eines war. Und so erreichte man Coleman’s Meadow – die Schamanenwiese – und Cole Hill, den heiligen Hügel, den Mutterhügel.
    Ihr war beinahe schlecht von all den Gefühlen, die in ihr durcheinanderwirbelten. Sie dachte an die Nacht, in der sie sich mit Cider betrunken und im alten Obstgarten halluziniert hatte.
Cider ist das Blut des Obstgartens
, hatte Lucy später gesagt.
Und jetzt ist es in deinem Kreislauf.
    Es musste der richtige Weg sein.
    Jane begann beinahe zu schweben, wie in der Cider-Nacht, spürte kaum noch das Gras unter ihren Füßen. Als sie auf die Ley trat, war es, als triebe sie auf sonnenhellen Lichtbahnen dahin, und sie sah Lucy auf sich warten.
    «Hi», sagte Lucy. «Sind Sie Jane?»
    Jane stand blinzelnd da. Die Frau trug keinen Poncho, sondern eine Art Drillichweste mit sehr vielen Taschen. Neben ihr stand ein Metallkoffer.
    «Sally Ferriman. Ich arbeite für den
Guardian

    «Oh», sagte Jane. «Hallo.»
    «Sind Sie so weit, Jane?»
    Jane sah Sally Ferriman an, dann hinauf zum Cole Hill.
    «Ja», sagte sie. «Ich glaube schon.»
     
    Im Pfarrhaus versuchte Merrily noch einmal, Sonia Maloneys Eltern anzurufen: niemand da.
    Sie hatte noch einen Namen auf ihrer Liste. Vielleicht sollte sie zuerst mit Syd Spicer oder Bliss darüber sprechen. Als sie Bliss anrufen wollte, schaltete sich seine Sprachbox an, doch er rief sofort zurück.
    «Die haben Loste immer noch am Wickel, aber es wurde noch keine Anklage erhoben. Vielleicht warten sie noch auf Laborergebnisse. Trotzdem … es sieht nicht besonders gut aus für ihn. Sie haben jetzt einen Zeugen, der Loste zusammen mit einem Schwarzen mit Wollmütze auf dem Beacon gesehen hat.»
    «Loste hat von Wicklow Drogen gekauft?»
    «Sieht ganz danach aus. Es gelten natürlich die üblichen Regeln, Merrily.»
    «Kein Wort zu niemandem.»
    «Und», sagte Bliss, «was haben
Sie
für
mich

    «Hrm … dürfte ich noch eine Frage stellen?»
    «Ehrlich, Merrily, diese Beziehung wird langsam ziemlich einseitig.»
    «Ich weiß. Tut mir leid. Wahrscheinlich können Sie die Frage ohnehin nicht beantworten.»
    «Gut. Also, wir sehen uns dann …»
    «Es gehört wahrscheinlich eher in die Abteilung der Verkehrspolizei.»
    «In dem Fall habe ich überhaupt keine Chance, so wie ich die Kollegen dort schon ausgenutzt habe.»
    «Es geht um die Unfälle in Wychehill. Ich wollte … einfach sicher sein, dass sie so abgelaufen sind, wie man sie mir beschrieben hat. Oder ob sie überhaupt stattgefunden haben. Lostes Unfall wurde nicht gemeldet. Da kann ich also nichts machen. Aber anscheinend gab es noch einen Lastwagenfahrer, der an die

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