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Ein dunkler Ort

Ein dunkler Ort

Titel: Ein dunkler Ort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: cbt Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Gespräch kostet deine Mutter eine Menge Geld, Kathryn.« Madame sprach leise, aber ihre Stimme hatte einen unverkennbaren Befehlston. »Meinst du nicht, dass du ihr jetzt alles Liebe wünschen und dich verabschieden solltest?«
    »Mom!« Kit unternahm eine letzte verzweifelte Anstrengung. »Ich will zu Tracy. Darf ich das, bitte? Ich habe ihr geschrieben und das wird schon gehen, da bin ich mir sicher. Ich könnte den Bus in Blackwood Village nehmen. Mr Rosenblum könnte mich abholen und ich könnte bis Weihnachten bei ihnen bleiben, bis du mit Dan nach Hause kommst.«
    »Aber Kit, wirklich!« Der jugendliche Elan in der Stimme ihrer Mutter war verschwunden. An seine Stelle war eine Mischung aus Enttäuschung, Besorgnis und Verärgerung getreten. »Du siehst Tracy zu Weihnachten wieder. Ganz gleich, was du sagst, es ist wirklich nicht mehr lange hin. Freu dich jetzt an deinen anderen Freundinnen, den neuen, die du in Blackwood gefunden hast. In deinem Brief hast du von einem Mädchen namens Sandy geschrieben. Die mochtest du doch. Ist das noch so?«
    »Ja. Ja, klar. Ich mag Sandy.« Was mache ich nur? , fragte Kit sich hektisch. Was kann ich denn tun? Sie schaute Madame Duret ins Gesicht und ihr wollte kein Wort mehr über die Lippen kommen.
    »Schreib doch bitte, Schatz«, sagte ihre Mutter. »Und schicke uns die Briefe ein bisschen voraus. Du hast ja unseren Reiseplan. Plane einfach ein paar Tage mehr ein, dann erreichen sie uns schon. Dan lässt dich grüßen. Er ist ein guter Mann, Kit – ein feiner, lieber Mensch. Das wird mit jedem Tag deutlicher. Ich habe großes Glück.«
    »Ja«, sagte Kit resigniert. »Ja, ich weiß.«
    »Ich hab dich lieb, Schatz.«
    »Ich dich auch.« Die Zeit war um. Es war nichts zu machen, rein gar nichts. »Grüß Dan von mir. Schöne Flitterwochen.«
    »Die haben wir. Kopf hoch, Schatz. Und tschüss erst mal.«
    »Tschüss.« Ein Klick und Stille.
    Kit nahm den Hörer vom Ohr und legte ihn wieder auf die Gabel. Sie schloss die Augen dabei, damit sie Madames zufriedene Miene nicht sehen musste, aber sie konnte sie nicht geschlossen lassen. Lange konnte man ja nicht mit zugekniffenen Augen dastehen.
    »So ist es richtig, Chérie«, sagte Madame Duret. »Du willst deiner Mutter doch genug Geld übrig lassen, damit sie dir Geschenke mitbringen kann. Haben sie eine gute Reise?«
    »Ja«, sagte Kit dumpf. »Wunderbar.«
    »Sie machen so einen netten Eindruck, alle beide. Du willst ihnen doch mit der Sorge um dich nicht die Reise verderben. Alle Mädchen bekommen gelegentlich ein wenig Heimweh. Das ist eins der Dinge, gegen die man angehen muss.«
    »Kann schon sein«, sagte Kit.
    Niedergeschlagen drehte sie sich um und ging auf die Tür zu, doch als ihr Blick auf das Gemälde über dem Aktenschrank fiel, blieb sie ruckartig stehen. In einem Bergsee spiegelten sich das Sonnenlicht, grüne Wälder und ferne Hügel. Diese Gegend kannte sie doch!
    »Was ist das?«, fragte sie.
    »Dieser Schrank? In dem bewahre ich die Unterlagen von ehemaligen Schülern auf.«
    »Den Schrank meine ich nicht«, sagte Kit. »Ich meine das Bild. Wer hat es gemalt?«
    »Gefällt es dir? Es ist eins meiner Lieblingsbilder.« Von ihrer Auseinandersetzung war nichts mehr zu spüren. »Das ist ein Landschaftsgemälde von Thomas Cole. Eine Reproduktion natürlich.«
    »Diesen See kenne ich«, sagte Kit.
    »Das kann schon sein. Das Bild ist in den Catskills gemalt worden.«
    »Nein, ich meine, ich hab ihn auf einem Bild gesehen. Aus einer anderen Perspektive. Da drüben führt ein Weg am Ufer entlang, aber aus dieser Richtung ist er nicht zu sehen.«
    Dann ging ihr ein Licht auf.
    »Das ist derselbe See, der in einigen von Lyndas Gemälden zu sehen ist.«
    »Ach, das glaube ich aber nicht, Chérie«, sagte Madame Duret.
    »Lynda kommt aus Kalifornien. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie eine Landschaft im Staat New York malen würde.«
    »Aber das ist der See.« Kit ließ sich nicht beirren. »Wer ist dieser Thomas Cole überhaupt? Lebt der irgendwo in dieser Gegend?«
    »Früher hat er hier gelebt«, sagte Madame Duret. »Aber das ist natürlich schon viele Jahre her. Er ist Mitte des 19. Jahrhunderts gestorben.«

DREIZEHN
    »Es ist wahr«, sagte Ruth. »Thomas Cole war ein wirklich berühmter Künstler. Erstaunlich, dass du noch nie was von ihm gehört hast. Er war der Begründer der Hudson River School der Landschaftsmaler.«
    Das war am späten Nachmittag des folgenden Tages, sie hatten das Haus verlassen und

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