Ein dunkler Ort
verschwundenen Porträt dachte, als die verschlossene Tür auch kein Hindernis für den Eindringling dargestellt hatte. Sie weiß was , dachte Kit. Irgendwie ist Ruth uns anderen einen Schritt voraus .
»Nun, wenn wir es genau wissen wollen, gibt es nur eines«, sagte Professor Farley. »Gebt mir eure Schlüssel, Mädels. Jules und ich werden eure Zimmer überprüfen. Wenn sich irgendjemand in diesem Gebäude verstecken sollte, der nicht hierher gehört, dann wollen wir es wissen.«
Sandy und Kit gaben ihm ihre Schlüssel. Schweigend beobachteten sie, wie die beiden Männer den Flur entlanggingen und erst das eine, dann das andere Zimmer betraten. Lange brauchten sie nicht.
»Niemand da«, sagte Professor Farley. »Im Schrank nicht und unter den Betten auch nicht. Ich fürchte, du hast dir da etwas eingebildet, mein Fräulein. Mir ist schon klar, woran das liegt, diese Schatten verändern sich ja ständig. Wenn man auf einen Spiegel zugeht, bekommt man schon mal ein komisches Gefühl.«
»Aber ich hab es mir nicht eingebildet«, platzte Kit heraus. Und dann sagte sie noch etwas unsicherer: »Er kam mir so echt vor.«
»Wie meine Ellis?«, fragte Sandy leise.
»Nein«, sagte Kit. »So nicht. Ich war hellwach und hab nicht geträumt.«
»Bist du sicher?«
»Aber natürlich, ich stand genau hier.«
»Ich halte es für das Beste, jetzt ins Esszimmer zurückzugehen«, sagte Madame Duret energisch. Ihr Ton ließ keinen Zweifel darüber aufkommen, dass sie die Sache für erledigt hielt, das war etwas, das sie weder weiter quälen noch weiter bereden sollten. »Der Professor hat völlig recht, das Licht in diesem Flur ist furchtbar trügerisch. Ich werde mich gleich morgen noch einmal um einen Elektriker bemühen, und wenn ich keinen aus dem Dorf bekommen kann, dann rufe ich in Middleton an.
Und nun wollen wir wieder zu Tisch gehen, bevor alles kalt ist. Fühlst du dich besser, Kathryn?«
»Ja, Madame«, sagte Kit zittrig. Und obwohl ihr ganz und gar nicht nach Essen zumute war, ließ sie sich die Treppe hinunter und ins Esszimmer bringen.
Die Suppenteller waren abgeräumt. Sie nahmen ihre Plätze ein und auf das helle Läuten von Madames silberner Glocke hin öffnete sich die Küchentür und Lucretia erschien mit finsterer Miene.
»Den Hauptgang bitte, Lucretia«, sagte Madame.
Wortlos drehte die alte Frau sich um und ging wieder zurück in die Küche. Kit schaute ihr verwundert nach.
»Warum trägt Lucretia das Essen auf?«, fragte sie. »Ist Natalie krank?«
»Natalie ist nicht länger in meinen Diensten«, ließ Madame sie wissen. Ihre Stimme war völlig neutral, aber Kit fiel sofort die Szene in der Küche ein, als Madames Blick sie getroffen hatte wie ein Blitzschlag, und sie schöpfte Verdacht.
»Warum?«, fragte sie. »Haben Sie sie entlassen?«
»Entlassen? Warum denn das? Natürlich nicht.« Madame breitete die Serviette über den Schoß. »So gute Köchinnen wie Natalie sind heutzutage schwer zu finden. Nein, das Mädchen hat selbst um die Kündigung gebeten. Sie heiratet nächste Woche Samstag.«
»Sie heiratet!« Damit hatte Kit nun wirklich nicht gerechnet.
»Ach, ist das schön«, sagte Ruth. »Sie muss ja so aufgeregt sein. Wen heiratet sie denn? Jemanden aus dem Dorf?«
»Könnte ich mir vorstellen. Wo sollte sie denn sonst einen Mann finden?«, sagte Madame. »Aber da so viele von unseren Haushilfen nicht mehr bei uns sind, fürchte ich, dass wir alle ein wenig mit anpacken müssen, um die Arbeit zu erledigen. So schön es auch wäre, ein Haus wie Blackwood hält sich schließlich nicht von selbst in Ordnung, wisst ihr. Ab morgen muss ich mir einen Arbeitsplan für alle überlegen.«
Die Schwingtür ging wieder auf und Lucretia trat ein, sie trug ein halb gares Hähnchen auf einer Servierplatte herein, und damit war das Gespräch beendet.
Der Anruf kam an diesem Abend um halb neun. Die Mädchen waren im Salon versammelt, wo sie mit halbem Auge eine Natursendung im Fernsehen verfolgten, als Jules plötzlich in der Tür erschien.
»Telefon für dich, Kit«, sagte er. »Ein Ferngespräch. Es ist deine Mutter.«
»Echt?« Kits Herz klopfte wie verrückt. Sofort sprang sie auf und lief auf ihn zu. »Wo kann ich es annehmen?«
»Der Festnetzanschluss ist im Büro«, sagte Jules. »Beeil dich lieber, Gespräche aus Übersee kosten ein Vermögen.«
Als sie das Büro betrat, traf sie dort Madame Duret an, die an ihrem Schreibtisch saß. Das altmodische Telefon stand rechts von ihr, der
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