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Ein Earl mit Mut und Leidenschaft

Titel: Ein Earl mit Mut und Leidenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Quinn
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Europa. Vielleicht auf der Welt. George mochte die Tochter eines Viscounts geheiratet haben, aber die Chervils bewegten sich nicht in denselben erhabenen Kreisen wie die Pleinsworths oder die Smythe-Smiths. Und selbst wenn die Familien sich auf derselben Veranstaltung wiederfänden, wäre Anne zumindest nicht mit von der Partie. Sie war nur die Gouvernante. Die hoffentlich unsichtbare Gouvernante.
    Dennoch bestand Gefahr. Wenn der Klatsch stimmte, den Charlotte ihr geschrieben hatte, dann erhielt George eine großzügige Apanage von seinem Schwiegervater. Er hatte Geld genug, um sich eine Saison in London leisten zu können. Vielleicht sogar genug, um sich den Weg in die höchsten Kreise zu erkaufen.
    Er hatte immer gesagt, dass ihm die Zerstreuungen gefielen, die eine große Stadt zu bieten hatte. Daran erinnerte Anne sich. Eine Menge Dinge hatte sie vergessen können, aber daran erinnerte sie sich. Daran und an den Traum eines jungen Mädchens, wie es mit seinem schönen Mann im Hyde Park spazieren ging.
    Sie seufzte, trauerte ein wenig um das junge Mädchen, aber nicht um ihren albernen Traum. Was für ein Dummkopf sie doch gewesen war. Was für eine schlechte Menschenkennerin.
    „Kann ich irgendetwas tun, damit Sie sich wohler fühlen?“, fragte Lord Winstead ruhig. Er hatte eine ganze Weile nichts mehr gesagt. Das mochte sie an ihm. Er war ein umgänglicher Mensch, man konnte sich gut mit ihm unterhalten, und er hatte ein Gespür dafür, wann es besser war, zu schweigen.
    Sie schüttelte den Kopf, mied dabei seinen Blick. Sie versuchte nicht direkt, ihm auszuweichen, in diesem Augenblick wäre sie jedem ausgewichen. Aber dann bewegte er sich. Sie spürte, wie das Polster unter ihnen wippte, und das genügte, um ihr ins Gedächtnis zu rufen, dass er sie an diesem Nachmittag gerettet hatte. Er hatte ihre Bedrängnis erkannt und sie gerettet, ohne ihr dabei auch nur eine Frage zu stellen, ehe sie in der Kutsche saßen.
    Er hatte ihren Dank verdient. Es spielte keine Rolle, ob ihre Hände noch zitterten oder ihr noch immer schreckliche Bilder im Kopf herumgingen. Lord Winstead würde nie erfahren, wie sehr er ihr geholfen hatte, nicht einmal, wie dankbar sie ihm war, aber ein schlichtes Dankeschön konnte sie ihm schon sagen.
    Doch als sie ihn ansah, kam ihr etwas ganz anderes über die Lippen. Eigentlich hatte sie Danke sagen wollen, doch stattdessen ...
    „Ist das etwa ein neuer blauer Fleck?“
    Es war ein neuer blauer Fleck. Dessen war sie sich gewiss. Auf seiner Wange. Eher rötlich als blau, nicht so dunkel wie sein anderes blaues Auge.
    „Sie haben sich verletzt“, sagte sie. „Was ist geschehen?“
    Er blinzelte, wirkte ziemlich verwirrt, befühlte sein Gesicht.
    „Andere Seite“, sagte sie, und obwohl sie wusste, wie riskant es war, streckte sie eine Hand aus und berührte sanft seine Wange. „Das hier war gestern noch nicht da.“
    „Sie haben es bemerkt“, meinte er und schenkte ihr ein Lächeln.
    „Das sollte kein Kompliment sein“, erklärte sie und versuchte, nicht darüber nachzudenken, wie vertraut ihr sein Gesicht schon sein musste, dass sie unter den Verwüstungen, die Lord Chatteris dort angerichtet hatte, eine neue Blessur entdeckte.
    „Trotzdem schmeichelt es mir, dass Ihnen die neueste Errungenschaft in meiner Sammlung aufgefallen ist“, sagte er.
    Sie verdrehte die Augen. „Weil persönliche Verletzungen ja auch so sammelwürdig sind.“
    „Sind alle Gouvernanten so sarkastisch?“
    Aus dem Mund eines jeden anderen hätte sie diese Worte als Zurechtweisung empfunden, als dezenten Hinweis darauf, wo ihr Platz war. Aber darum ging es ihm nicht. Außerdem hatte er dabei gelächelt.
    Sie warf ihm einen spitzen Blick zu. „Sie haben meine Frage nicht beantwortet.“
    Ihr kam es fast so vor, als wirkte er ein wenig verlegen. Es war schwer zu sagen: Falls er errötet sein sollte, so wurde das von ihrem gegenwärtigen Gesprächsthema - seinen blauen Flecken - geschickt verdeckt.
    Er zuckte mit den Achseln. „Zwei Strolche wollten mir gestern Abend die Geldbörse stehlen.“
    „Oh nein!“, rief sie. Ihre heftige Reaktion überraschte sie vollkommen. „Was ist geschehen? Geht es Ihnen gut?“
    „Es hätte schlimmer sein können“, winkte er ab. „Marcus hat auf der musikalischen Soiree weitaus größeren Schaden verursacht.“
    „Aber gewöhnliche Kriminelle! Die hätten Sie ja umbringen können!“
    Er neigte sich zu ihr. Nur ein bisschen. „Hätten Sie mich denn

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