Ein Earl mit Mut und Leidenschaft
Assistent verlor das Gleichgewicht, und als Daniel den Blick senkte, entdeckte er, dass der Umriss seines Fußes einen neuen Zeh bekommen hatte, der wie eine Reptilienklaue nach außen ragte.
Beeindruckend.
Der Lärm an sich wäre schon erstaunlich genug gewesen, doch dann zeigte sich, dass die Schuhmacherei von einer Frau gestürmt worden war, einer Frau, die in Not zu sein schien, die ...
„Miss Wynter?“
Es konnte niemand anders sein, bei den dunklen Locken, die aus dem Hut herausquollen, und den langen Wimpern. Aber mehr noch ... es war merkwürdig, aber Daniel hatte den Eindruck, dass er sie an ihren Bewegungen erkannt hatte.
Sie machte einen Satz zur Seite, offenbar so verschreckt von seiner Stimme, dass sie gegen das Ladenregal hinter sich stieß. Die drohende Schuhlawine wurde nur durch die Geistesgegenwart von Mr Hobys Assistenten verhindert, der an Miss Wynter vorbeisprang und die Situation rettete.
„Miss Wynter“, sagte Daniel noch einmal und eilte zu ihr, „kommen Sie, was ist denn geschehen? Sie sehen aus, als wäre Ihnen ein Geist begegnet.“
Sie schüttelte den Kopf, doch sie machte keineswegs einen überzeugenden Eindruck. „Es ist nichts“, sagte sie. „Ich... ähm ... da war ...“ Blinzelnd blickte sie sich um, als hätte sie erst jetzt bemerkt, dass sie zu einem Herrenausstatter hineingelaufen war. „Oh“, hauchte sie eher, als dass sie es sagte. „Tut mir schrecklich leid. Ich ... ich habe mich wohl im Laden geirrt. Ähm ... Wenn Sie erlauben, will ich nur ...“ Sie linste zum Fenster hinaus, ehe sie eine Hand auf den Türknopf legte. „Ich gehe jetzt“, sagte sie schließlich.
Dann drehte sie den Türknopf, zog die Tür aber nicht auf. Im Laden wurde es still, jeder schien darauf zu warten, dass sie ging, noch etwas sagte, irgendetwas tat. Aber sie stand da, wie gelähmt.
Vorsichtig nahm Daniel ihren Arm und führte sie vom Fenster weg. „Kann ich Ihnen helfen?“
Sie wandte sich um, und ihm wurde bewusst, dass sie ihn, seit sie den Laden betreten hatte, nun zum ersten Mal direkt ansah. Aber der Kontakt war flüchtig, sie schaute gleich wieder zu dem Schaufenster. Irgendetwas da draußen schien ihr eine Heidenangst einzujagen.
„Wir werden wohl zu einem anderen Zeitpunkt fortfahren müssen“, rief er Mt Hoby zu. „Ich werde Miss Wynter nach Hause ...“
„Da war eine Ratte“, platzte sie heraus. Ziemlich laut.
„Eine Ratte?“, wiederholte ein anderer Kunde beinahe kreischend. Daniel konnte sich nicht an seinen Namen erinnern, doch es war ein ausgesucht modisch gekleideter Gentleman, komplett mit Weste aus rosa Brokat und passenden Schnallen an den Schuhen.
„Vor dem Laden“, sagte Miss Wynter und streckte einen Arm in Richtung der Eingangstür aus. Ihr Zeigefinger wackelte und zitterte, als wäre der Anblick eines solchen Nagetiers überaus ungewöhnlich.
Daniel fand das seltsam, doch den anderen schien nicht aufzufallen, dass sich Miss Wynters Geschichte geändert hatte. Wie war es möglich, dass sie den falschen Laden betreten hatte, wenn sie vor einer Ratte davongerannt war?
„Sie ist über meinen Schuh gelaufen“, fügte sie hinzu, worauf der Gentleman mit den rosa Schnallen hin und her zu schwanken begann.
„Erlauben Sie, dass ich Sie nach Hause bringe“, sagte Daniel, und dann lauter, da ohnehin alle lauschten: „Die Ärmste hat sich erschreckt.“ Er war der Meinung, dass dies als Erklärung ausreichte, vor allem, als er hinzufügte, dass sie bei seiner Tante angestellt sei. Rasch schlüpfte er in die Stiefel, in denen er gekommen war, und versuchte Miss Wynter aus dem Laden zu geleiten. Doch sie schien die Füße nachzuziehen, und als sie an der Tür waren, beugte er sich herab und sagte leise, sodass keiner ihn hören konnte: „Ist alles in Ordnung mit Ihnen?“
Sie schluckte. Ihr schönes Gesicht war verhärmt und angespannt. „Sind Sie mit der Kutsche hier?“
Er nickte. „Sie steht nur ein Stück weiter die Straße hinunter.“ „Ist es ein geschlossener Wagen?“
Was für eine komisch anmutende Frage. Es regnete nicht, am Himmel waren noch nicht einmal Wolken. „Man kann das Verdeck schließen.“
„Könnten Sie sie hier Vorfahren lassen? Ich weiß nicht, ob ich zu Fuß gehen kann.“
Sie wirkte tatsächlich noch recht mitgenommen. Daniel nickte noch einmal, schickte einen von Hobys Assistenten aus, die Kutsche zu holen. Kurz darauf saßen sie in seinem Landauer, das Verdeck ringsum geschlossen. Er gab ihr ein paar Minuten
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