Ein echter Schatz
unter Geldnot litt, beschloss ich, den weiteren Nachmittag damit zu verbringen, alles zu tun, um nicht im Gefängnis zu landen. Ich hatte noch im Ohr, was Morelli zu mir gesagt hatte, dass Dickie nur vermisst wurde, mehr nicht, und dass ich keine Angst zu haben brauchte. Aber es waren schon Leute für weniger in den Knast gegangen. Ich muss es wissen. Ich habe sie schließlich reingebracht.
Zuallererst wollte ich das Gespräch mit Joyce suchen. Ich fuhr zu ihr und parkte in der Einfahrt neben ihrem Haus, hinter einem Pro-Serve-Van und einem Kombi. Die Haustür stand offen, drinnen wirbelte ein Putztrupp. Sofa und Sessel, finale Opfer der Biberexplosion, waren nach draußen an den Straßenrand bugsiert worden.
Ich wandte mich an einen Mann, der so aussah, als spräche er meine Sprache, und fragte nach Joyce.
»Die ist nicht hier«, sagte er. »Sie hat uns aufgemacht, aber dann ist sie gleich wieder weg.«
»Schon gut. Ich gucke mich solange um, bis sie wieder da ist. Ich bin ihre Innenarchitektin. Wir haben einen Termin, aber ich bin etwas früh dran.«
»Klar«, sagte er. »Toben Sie sich aus.«
Das Haus war mächtig aufgemotzt, jede Menge Samtpolster, Spiegel in Goldrahmen, edle Teppiche, Marmor in Küche und Bad, Seide im Schlafzimmer, in jedem Raum Flachbildschirme. Joyce hatte diesmal reich geheiratet, sie hatte mehr Samt und Seide um sich versammelt, als man sich vorstellen konnte, und alles sah ziemlich teuer aus.
Ein Zimmer war offenbar als Büro und Bibliothek gedacht, die Regale gefüllt mit gebundenen Büchern, wahrscheinlich von ihrem Exmann. In der Mitte thronte ein fetter, geschwungener Mahagonischreibtisch, die Schreibtischfläche war sauber, Telefon, aber keine Schreibunterlage, kein Computer. Ich zog alle Schubladen auf, nur Telefonbücher, sonst nichts.
Ich kehrte zurück in die Küche und setzte mich an den kleinen eingebauten Arbeitsplatz. An dem Telefon war ein Anrufbeantworter angeschlossen, in einem Kaffeebecher von Starbucks standen Markerstifte und Kugelschreiber, neben dem Telefonapparat einige Klebezettel.
Ich zog die oberste Schublade auf und fand ein Blatt Papier, auf das jemand zwei neunstellige Zahlen und eine Telefonnummer notiert hatte. Eine der Zahlen erkannte ich sofort, es war Dickies Sozialversicherungsnummer. Komisch, dass man solche Sachen behält. Die zweite Zahl und auch die Telefonnummer kannte ich nicht.
Ich wählte die Telefonnummer, und eine automatische Ansage meldete sich mit Smith Barney Servicecenter für Privatkunden und verlangte die Kontonummer. Weiter würde ich also nicht kommen, deswegen schrieb ich die drei Nummern auf einen der Klebezettel und steckte ihn ein.
Sonst fand sich weiter nichts Interessantes auf Joyce‘ Schreibtisch. Ich ging die Liste der gewählten Nummern und der Anrufer auf ihrem Telefondisplay durch, bis vier Tage zurück, und schrieb mir auch diese Nummern ab.
Ich wollte gerade die Küche verlassen, da lief mir Joyce in die Arme.
»Was soll der Scheiß!«, begrüßte sie mich. »Ich habe dich gesucht«, sagte ich. »Hier bin ich. Was willst du?«
»Ich dachte, wenn wir beide uns zusammentun, könnten wir vielleicht gemeinsam herausfinden, was mit Dickie passiert ist.«
»Ich weiß, was mit ihm passiert ist. Ich weiß nur nicht, wo er gerade steckt.«
»Was geht dich das an?«, fragte ich Joyce.
»Ich liebe ihn.«
Ich prustete vor Lachen, worauf sich auch Joyce ein Grinsen nicht verkneifen konnte.
»Zugegeben, da fällt es selbst mir schwer, ernst zu bleiben«, sagte Joyce.
»Glaubst du, dass er tot ist?«
»Schwer zu sagen, solange keine Leiche da ist. Ich rate dir nur eins – komm mir nicht in die Quere. Ich habe was investiert, und jetzt will ich den Gewinn einfahren. Wer versucht, mich daran zu hindern, wird aus dem Weg geräumt. Gnadenlos.«
»Kaum zu glauben, dass Dickie so viel Geld besessen haben soll. Nach allem, was ich weiß, reichte seine Intelligenz dafür nicht aus.«
»Du hast keine Ahnung, worum es hier geht. Ich warne dich noch mal, halt dich da raus.«
Langsam nervte die Frau. Schon schlimm genug, sich manchmal von Morelli und Ranger herumkommandieren zu lassen, jetzt verlangte auch noch Joyce von mir, mich nicht einzumischen.
»Wie ich sehe, richtest du dich gerade neu ein«, sagte ich. »Ist das Biberpelz da oben auf dem Kronleuchter?« Unsere Blicke trafen sich, und ich wusste, welcher Ge danke ihr gerade durch den Kopf schoss: Steckt etwa Stephanie Plum hinter der Biberbombe? Der Moment ging
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