Ein ehrliches Angebot: Roman (German Edition)
meinen Mörder verloren. Normalerweise trenne ich mich von nichts, ich weiß, dass ich es früher oder später brauchen kann. In gewisser Weise spüre ich Erleichterung. Ich brauche nicht weiter zu gehen als bis hierher. Es ist vorbei. Ebba ruft nach mir. Ich steige aus dem Campingwagen. Sie sagt, Kamprad muss in den Wald geflohen sein. Wir brauchen bloß seiner Spur zu folgen. Hinein in den Wald. In Kamprads Wald. Wir Armen. Schon sind wir wieder dabei. Nur dem Mond und dem Schnee haben wir es zu verdanken, dass der Wald nicht völlig undurchdringlich wirkt. Kamprad kann nicht weit gekommen sein. Der Abstand zwischen seinen Schritten ist zu kurz. Ich erkenne an der Spur, dass seine Beine noch gefesselt sind. Ein Stück weiter im Wald verliere ich Ebba. Sie will nach rechts. Ich will nach links. Den Spuren kann ich nichts anderes entnehmen, als dass er nach links gegangen ist. Ich weiß nicht. Die Nacht ist grau, der Schädel ist grau, die Luft ist grau. Ich blicke hoch zu den Kiefern, die Äste sind ineinander verflochten. Was für eine phänomenale Höhe, denke ich. Die Bäume stehen einfach da, bewegen sich leicht im Wind, im Schnee, gehören jedoch zu den festen Parametern des Lebens. Ingvar Kamprad hat sich hinter einer Kiefer versteckt. Hier steht er, wachsam wie ein Leuchtfeuer in der Nacht, von leuchtender Blässe. Putzig, wenn er dies für die beste Fluchtroute gehalten hat. Oder ist er einfach zu schlau, um seinen Vorteil zu nutzen?
Als Kamprad merkt, dass er entdeckt wurde, beginnt er zu rufen, aber es ist ein schwaches Rufen im Wald. Ich gehe auf ihn zu. Da sind Sie also, Sjöström, lächelt Kamprad. Haben Sie Tabak für mich bekommen?, fragt er. In mir rumort es. Hätte er nicht einfach abhauen können? Hätte er sich nicht zur Autostraße schleppen können oder zu Leuten mit wohlwollenderen Plänen? Er war auf dem Weg in sein altes Leben, heraus aus meinem. Jetzt habe ich den alten Schweinehintern wieder zurück. Ich schlage mit einer Hand zu, mitsamt Pistole. Ich habe keine Kontrolle über meine Handlung, verstehe nicht ganz, was passiert, aber ich breche im Schnee zusammen, bin einen Augenblick weg, bevor ich mich langsam aufrichte. Ich sehe Kamprad im Schnee liegen, blutend, atmend, keuchend. Ich begnüge mich damit, ihm ein paar herzliche Tritte in die Seite zu verpassen. Anfangs treffe ich nicht richtig, es spielt keine Rolle. Wenn ich die Rippen nicht treffe, dann eben die Nieren oder andere innere Organe. Die sich da drinnen befinden. Mach sie kaputt. Zerstör sie. Ich packe Kamprad am Knöchel und ziehe ihn rückwärts durch den Schnee. Durch den Griff werden weiße Haut und haarlose Beine freigelegt. Seine Knöchel sind dünn, genau wie meine, ich kann sie fast mit einer Hand umfassen. Die Strümpfe riechen, sie schlackern lose um die Beine. Dieses Detail löst Mitleid bei mir aus. Ich lasse ihn los und trete ihn noch einmal. Dieses Mal so fest ich kann. Ich ziehe ihn hoch, schubse ihn von mir, strauchle selbst.
Es sieht bestimmt komisch aus, ein Alter, der einen anderen Alten verprügelt. Ich sinke in den Schnee, bevor mir die Idee kommt, mich auf Kamprad zu legen. Diese Operation bringt das gewünschte Resultat. Kamprads Gesicht durchläuft alle Nuancen von Angst bis Desillusion. Unvergesslich. Ebba kommt dazu. Was machen Sie da?, fragt sie. Ich stehe auf, hebe meinen weichen Hut und meine alte Brille auf. Was ich mache? Ich mache vermutlich einen gebrechlichen Eindruck. Ich kann mich auf meinen Kopf nicht länger verlassen. Ich trete Kamprad noch einmal, ein letztes Mal, ein fester und kräftiger Tritt. Er hüstelt, grunzt und flucht. Ich fordere ihn auf, den Mund zu halten. Dann trete ich noch einmal zu. Ebba macht mit. Sie versetzt Kamprad einen Tritt. Der Mann versucht, den Tritten zu entgehen, aber sie tritt so entschieden zu, dass es mich überrascht. Kamprad gibt Gurgelgeräusche von sich. Ich packe Ebba, halte sie fest und versuche sie wegzuziehen. Sie reißt sich los, will weitertreten, ihr Kopf ist blind, ihre Gedanken sind nicht klar. Schließlich kann ich sie wegziehen, und wir rutschen im Schnee einen kleinen Abhang hinunter. Eine Weile bleiben wir liegen. Die Nacht über uns ist voller Sterne, über den Kiefern tauchen zwei absurde Monde auf. Gibt es heute Abend zwei davon? Verwesungsgeruch, ein lautes Rülpsen, es ist der Burger, der in mir rotiert. Ich muss mich übergeben und krümme mich über dem Magen. Ich gehe zu Kamprad und hebe ihn hoch. Auf dem Rückweg durch den
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