Ein ehrliches Angebot: Roman (German Edition)
Glücksgefühl, ihn so zu sehen. Ich sollte es nicht tun, aber ich muss lachen, als ich ihn so sehe. Die Füße festgekettet. Die Hände auf dem Tisch. Den Körper mit einem Knick in der Mitte. Denken Sie an den Tabak, ruft Kamprad, als wir gehen. Wir setzen uns in den Saab. Es wäre sinnlos, das hier nicht zu Ende zu bringen. Hat man erst A gesagt, muss man auch B sagen. Hat man B gesagt, muss man C sagen. Und bald ist man weit hinten im Alphabet. Wir fahren durch den sterbenden Tag, Ebba und ich. Wie gut es tut, wieder zu fahren. Die Erschütterung der Gummireifen zu spüren. Sich schwindlig zu schaukeln. Meine Hände am Steuer sind überraschend ruhig.
Es ist schön, wenn sich der Schnee über alles legt, sagt Ebba. Dann wird es irgendwie ganz, ganz still. Genau, sage ich. Sind Sie verheiratet?, fragt sie. Na ja, ich war verheiratet, sage ich. Dann sind Sie geschieden?, fragt sie. Ich lache und sage, ich sei nicht geschieden. Dann ist sie also tot?, fragt Ebba. Ja, antworte ich, sie ist tot. Wie lange waren Sie verheiratet?, fragt Ebba. Ich sage, dass wir mehr als vierzig Jahre verheiratet waren. Sie fragt, ob das überhaupt möglich ist. Ja, das ist möglich, antworte ich. Haben Sie Kinder?, fragt Ebba. Nein, sage ich. Ich weiß nicht, warum ich lüge, aber es ist ja auch nicht die Unwahrheit. Keine Kinder. Keine Marny. Ich liebe Kinder, sagt Ebba, manchmal hüte ich die Kleinen von unseren Nachbarn, die sind oft verreist, die arbeiten für IKEA. Willst du mich veräppeln?, frage ich. Nein, antwortet sie, Kinder trösten ist das Allerschönste, mit ihnen reden, wenn sie traurig sind, zum Beispiel wenn ich bei ihnen übernachte und sie mitten in der Nacht aufwachen. Dann rufen sie nach ihrer Mutter, und ich muss ihnen versichern, dass ihre Mutter zurückkommt, ich drücke sie an mich und spüre ihre Wärme.
Wir sind jetzt in Växjö, suchen den Weg zum Schwedischen Fernsehen. Ich kurble das Fenster herunter und frage einen Mann mit Einkaufstüten in beiden Händen. Er sagt, wir müssten zum Framtidsvägen fahren. Er zeigt und erklärt. Framtidsvägen, die Straße der Zukunft? Was für ein Name. Jetzt fahren wir also geradewegs in die Zukunft. Wir stellen den Wagen vor dem lokalen Büro des Schwedischen Fernsehens ab. Das Gebäude ist quadratisch mit großen Glasflächen. Ein paar Fahnen knallen im Framtidsvägen im Wind. Ich bleibe sitzen. Was willst du einmal machen, wenn du erwachsen bist, Ebba?, frage ich. Dann ziehe ich nach Borås, sagt sie. Nach Borås? Ja, ich liebe Borås, erzählt sie, das sage ich immer zu meiner Mutter, damals, als wir in Borås gewohnt haben, hatten wir einen Hund, ich will wieder einen Hund haben. Wir haben nie einen Hund gehabt, antwortet meine Mutter dann, aber sie weiß genau, dass wir einen Hund hatten, damals in Borås.
Ebba hat die Kapuze vom Kopf gezogen, sie spielt mit ihren Haaren. Mein Vater wohnt in Borås, sagt sie. Håkan? Ja, Håkan. Ich drehe mich um und nehme die Videokassette vom Rücksitz. Soll ich Ihnen etwas erzählen?, fragt Ebba. Sie erzählt, dass sie vor Weihnachten für ihre Mutter ein Lied aufgenommen hat. Sie hat das Lied selbst geschrieben, Text und Melodie, alles. Die Mutter hat sich die Kassette nie angehört, sie hat gesagt, sie würde sich das Lied anhören, hat es aber nicht getan. Die Kassette blieb auf dem Regal liegen. Am Ende zog Ebba das Band aus der Hülle und schmückte den Weihnachtsbaum damit.
Sie will mit der Videokassette hineingehen, aber ich sage, dass ich das mache. Vermutlich nehmen sie einen älteren Mann eher ernst als ein junges Mädchen. Danach sehe es nicht aus, sagt sie, nach allem, was ich erzählt habe. In dem Punkt muss ich ihr recht geben, aber ich kann sie nicht noch mehr in die Sache hineinziehen. Ich steige aus. Am Empfang erkläre ich dem Pförtner, dass ich mit einem Journalisten sprechen will. Worum geht’s?, fragt der Mann. Olof Palme, sage ich. Er sieht mich an und nimmt den Hörer ab. Ich setze mich aufs Sofa und warte. Zehn, elf Bildschirme hängen an der Wand, fast alle zeigen Aufnahmen von den Olympischen Spielen in Lillehammer. Menschen laufen Ski, spielen Eishockey, springen von der Skischanze, rodeln. Alles geschieht so schnell, dass es wirkt, als hätten die Sportler Todesangst. Eine junge Frau mit blonden Haaren kommt auf mich zu, um mit mir zu sprechen. Sie trägt Jeans und eine Trainingsjacke mit dem Logo des Schwedischen Fernsehens. Sie stellt sich als Emma Eriksson vor. Wollten Sie gerade los zum
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