Ein ehrliches Angebot: Roman (German Edition)
Offensichtlich?, frage ich. Ja, sagt er. Kamprad ist der Meinung, sie könnten sich nicht zum Handlanger von Verbrechern machen. Aber sie müssen es doch senden, oder nicht?, fragt Ebba. Das müssen sie, sage ich, sonst machen sie ihre Arbeit nicht. Ich denke, dass sie etwas im Schilde führen. Sie wissen, dass ich den Schrauben-König in meiner Gewalt habe, aber sie wollen eine Lösung, darum halten sie das Ganze unter Verschluss.
Jetzt arbeiten sie dort draußen an Ingvar Kamprads Rettung. Darauf muss ich mich vorbereiten. Kamprad hat sein Lächeln wiedergefunden, er ist zu weiteren Späßen bereit. Tja, so lange hat es gedauert. Er bittet mich, ihm trockene Kleider zu holen. Ich stehe auf, komme seinem Wunsch nach. Zuerst wische ich ihm das Blut von der Nase. Er jammert. Dann gebe ich ihm Klamotten von mir. Ich schaue weg, während er sich auszieht. Er zieht meine Unterhose an, meine Socken, mein blaues Hemd, meinen grauen Anzug. Aus der Brusttasche ragt ein weißes Taschentuch heraus. Ein alter Schnitt, vielleicht ist er auch wieder in Mode. Was weiß ich, aber ich muss sagen, dass meine Klamotten dem Mann Eleganz verleihen. Er wird zu einem wohlproportionierten Mann von einem Meter fünfundachtzig. Mir wird bewusst, dass er jetzt den Geruch meiner Kleider kennt, meinen Geruch, den Geruch meines Lebens. Kamprad hat sich in mich verwandelt. Das sage ich zu ihm, als er in meinem Anzug dort steht. Ich hätte nie gedacht, dass Sie sich in mich verwandeln, sage ich.
Es heißt, dass Barthaare und Fingernägel nach dem Tod noch ein paar Tage weiterwachsen – wie die Blumen im Garten, wenn im Herbst schon Schnee fällt. Ich hätte mich rasieren sollen, denn ich merke, wie alles immer noch keimt und wächst. Marny hat alles zum Wachsen gebracht, die Rosenbüsche entfalteten sich, die Hecke stand dicht, die Beete waren schön bepflanzt. Wenn ich über das Wetter klagte, sagte Marny: Ärgere dich nicht über den Regen, Harold, der ist gut für den Garten. Ohne Garten würde ich nicht überleben, sagte Marny. Was für eine Freude es war, sie mit Rechen und Heckenschere bei der Arbeit zu sehen. Sie hatte ein besonderes Händchen für Veilchen, Hibisken und Tulpen. Ich hatte den Laden, sie den Garten. Nachdem Marny ins Pflegeheim gekommen war, führte ich alle Gartenarbeiten mit großem Ernst und Eifer aus. Ich ging in die Bibliothek, um mir Gartenbücher auszuleihen, ich fragte Marny, was ich mit den verschiedenen Blumen und Büschen machen müsse. Sie erklärte es mir geduldig und mit pädagogischem Geschick. Von allem, was mit dem Garten zu tun hatte, war fast nichts aus ihrem Gedächtnis verschwunden. Sie brachte mir Dinge wie Bewässerung, Pflanzenschnitt, Düngung bei. Wie geht es der Magnolie?, fragte Marny. Gut, antwortete ich.
Ich erinnere mich an einen Frühlingsabend im letzten Jahr, als ich eine Magnolie abschnitt und zu Marny ging, die mit einer Näharbeit in der Küche saß. Liebes, sagte ich, es vergeht kein Tag, an dem ich nicht dafür dankbar bin, dass ich dich gefunden habe. Ich bin ziemlich sicher, dass es das letzte Mal war, dass Marny und ich in düsterer Wollust vereint waren, Freude mit Trauer vermischt, Leidenschaft mit Schmerz, weil ich wusste, dass ich im Begriff war, sie zu verlieren. Auch Marny dürfte geahnt haben, dass ihr nur noch wenige Wochen im Haus blieben. Anschließend lagen wir im Bett und sagten kein Wort, ich starrte aus dem Fenster, wo ganz oben ein Flugzeug zu sehen war. Dem Flugzeug schien die Abendsonne auf den Bauch, und es flog langsam über den roten Himmel.
Der Schnee hat sich auf Wald und Feld gelegt. Ein großer Mond zeigt mir seinen weißen Po. Einen Po, der sich rasch von rechts nach links bewegt, oder bewegt sich vielleicht der Campingwagen? Alle anderen Campingwagen stehen still und nachdenklich da, wie schlafende zugeschneite Pferde. Ich träume, dass Marny auf einem grünen Sofa sitzt und weint. Ich habe ein Rasiermesser in der Hand, weiß nicht, was ich machen soll. Marny ruft mir etwas zu. Plötzlich erkenne ich, dass die Laute von Ebba stammen. Ich gehe zu ihrem Bett. Ebba kehrt mir den Rücken zu, weiß und mager. Sie hat die Lederjacke als Decke über sich gebreitet. Ich berühre sie an der Schulter. Sie macht sich frei. Weinst du?, frage ich. Was für eine Frage. Als empathisches Wesen habe ich mich wahrhaftig disqualifiziert. Warum haben Sie ihn getreten?, fragt sie. Ich rege mich fast ein wenig auf. Es ist doch klar, dass ich ihn in irgendeiner Weise
Weitere Kostenlose Bücher