Ein ehrliches Angebot: Roman (German Edition)
Oberfläche, und darunter gibt es die wirkliche Welt. Alles ist ausgestorben, alle Kiefern, alle Straßen. Ich versuche, die Worte zusammenzusuchen, die in diese Geschichte gehören, versuche, die Geschichte abzurunden. Sie hinter mich zu bringen. Kommen wir zum Schluss. Das ist meine einzige Bitte. Mach das Licht aus. Feierabend. Nichts passiert. Kein Schuss. Nichts. Nicht einmal so wenig, nur Schneeflocken, die in der künstlich erhellten Winterdunkelheit durch die Luft rieseln, Schnee, der auf Einkaufswagen und Autos fällt. Ich sehe, dass mein Saab von einer weißen Schicht bedeckt ist.
Ich kehre zu Ingvar Kamprad zurück. Er isst Fleischklöße und betrachtet sich im Fernsehen. Warum machen Sie das hier?, fragt Kamprad. Er sieht mich kurz an. Endlich fängt er an, sich für mich zu interessieren. Das wissen Sie schon, sage ich. Er lächelt weiter, ein Lächeln, das an mich gerichtet ist, so wie ich die Pistole auf ihn gerichtet habe. Tja, das weiß ich jetzt. Die stille Trauer wird meinen Körper nie mehr verlassen. Rache taugt nicht. Für Rache gibt es keinen Platz. Rache heißt, die Welt mit Menschlichkeit zu überziehen. Wissen Sie, wovor Sie sich fürchten?, frage ich Kamprad. Wovor ich mich fürchte?, fragt Kamprad. Er sagt, er sei ein alter Mann, er fürchte sich vor nichts mehr. Ich sage: Sie fürchten sich vor Ihrer eigenen Menschlichkeit.
Kamprad bittet mich, Platz zu nehmen. Ich bleibe stehen. Ich habe ein Angebot für Sie, sage ich. Ein ehrliches Angebot. Und das wäre?, sagt Kamprad. Ich nehme die Pistole aus der Jackentasche und halte ihm die Waffe hin. Kamprad starrt mich nur an. Bitte nehmen Sie die Pistole, sage ich. Er reagiert nicht. Ich nehme seine Hand, zwinge ihn, die Pistole entgegenzunehmen. Ich entsichere, ziele auf meinen Bauch. Würden Sie bitte schießen, sage ich. Er sieht mich an, ist ganz klar der Ansicht, ich sei von allen guten Geistern verlassen. Das verstehe ich gut. Ich will, dass er schießt. Ich will, dass er mich erschießt, damit er sein restliches Leben mit mir leben muss. Stellen Sie sich eine Blechdose vor, sage ich. Was?, sagt er. Stellen Sie sich vor, ich sei eine Blechdose, sage ich. Er überlegt bestimmt, ob er schießen soll, es wäre menschlich, ganz am Ende der Geschichte bekommt er das Angebot, menschlich zu sein. Sein Mund öffnet sich, die Lippen bewegen sich, aber ich höre nichts. Er sieht mich mit diesen sanften Augen hinter den Brillengläsern an. Ich wünschte, ich könnte Ihnen helfen, sagt er schließlich. Es ist leichter, als Sie denken, sage ich. Er wird straffrei ausgehen. Ich habe ihm so viele Schmerzen, so viel Kälte, so viele Niederlagen beschert. Niemand wird ihn dafür verurteilen. Fakt ist, dass er Angst vor mir hat, endlich hat er Angst vor mir. Schließlich lässt er die Pistole sinken. Er hält mir die Pistole hin, will, dass ich sie wieder an mich nehme. Er hat mein letztes Angebot ausgeschlagen.
Kaltes Wasser ins Gesicht. Rasierklinge auf der Haut. Die Finger in Wasser tauchen, sie durch die Haare ziehen. Sich langsam anziehen. Die Brille aufsetzen. In den Mantel schlüpfen, den Schal umbinden, den Hut zurechtrücken. Sich selbst im Spiegel betrachten. Du schickes Kerlchen. Ich hatte dich verloren, Marny, am Ende wusstest du nicht einmal mehr, wer ich bin. Obwohl ich Hand in Hand mit dir durchs Leben gegangen bin, dein Geschlecht geküsst habe und in dir gewesen bin, dich zweimal geschwängert habe. Weite Strecken mit dir durch Åsane und New York gelaufen bin, dich insgeheim beobachtet habe, wenn du im Laden gearbeitet hast, innerlich jubiliert habe beim Gedanken daran, dass du mir gehörst, was für ein Glück ich hatte, dich gefunden zu haben, ich, der ich mit dir im Fjord in der Stadt gebadet und dich in Paris von hinten genommen hatte, der ich tausend Küsse in deinen Nacken gedrückt hatte.
Ich nehme den Hörer ab und wähle die Nummer des Pflegeheims. Ich bitte darum, mit Marny sprechen zu dürfen. Eine Stimme sagt, dass Patienten so spät nicht mehr geweckt werden können. Ich sage, dass es eine absolute Notwendigkeit für mich ist, mit meiner Frau zu sprechen. Worum geht es?, fragt die Frau. Das bespreche ich mit Marny, sage ich. Die Dame sagt, dass sie das Gespräch ins Zimmer durchstellen kann. Sie geht los. Ich warte. Dann höre ich Marnys Stimme. Hallo, ich bin’s, sage ich. Oh, hallo, sagt sie. Mehr sage ich nicht. Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Bist du auf Reisen, Liebster?, fragt sie. Ja, ich bin auf Reisen, sage
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