Ein ehrliches Angebot: Roman (German Edition)
ich. Wo bist du?, will Marny wissen. Ich bin auf einer Messe in Schweden, sage ich. Wie schön, sagt sie. Ich muss mich an den Schreibtisch setzen, sie weiß, wer ich bin, für einen Moment erinnert sie sich daran, dass ich Möbel-Lunde bin. Das ist im letzten Halbjahr mehrmals passiert, wie wollen die Ärzte das erklären? Die Ärzte haben Marny die unterschiedlichsten Diagnosen gestellt, sie haben von Palipraxie und Palilalie und Paraphasie gesprochen, sie haben behauptet, Marnys Substantia nigra sei ungewöhnlich stark befallen, aber jetzt reden wir, wie wir immer geredet haben, wenn ich auf Reisen war und zu Hause anrief.
Hast du etwas Schönes gefunden?, fragt sie. Möbel, meinst du? Nein, für mich. Ja, das habe ich. In der Leitung wird es still. Ich höre eine Stimme im Hintergrund. Wann kommst du zurück?, fragt sie. Ich komme morgen nach Hause, sage ich. Morgen?, fragt sie. Ja, morgen bin ich zu Hause, Liebes. Sie sagt: Ich freue mich. Dann legt Marny auf. Ich bleibe einen Moment mit dem Hörer in der Hand sitzen. Dann lege ich ebenfalls auf und erhebe mich. Ein Reporter im Fernsehen sagt, der Entführer sei nach wie vor nicht identifiziert, aber sie hätten Informationen, wonach er kein Schwede sei. Der Polizeipräsident spricht davon, dass die Reaktion der Nation eindeutig negativ sei, der Rechtsstaat könne sich solchen Kräften nicht beugen. Ich bleibe vor Kamprad stehen. Er erhebt sich, in meinem Anzug steht er da, hat sich in mich verwandelt. Ich sage nichts, gebe ihm nur die Hand. Darauf hat er gewartet, auf den Augenblick, wenn sein Alptraum in den Mantel schlüpft und geht. Ich selbst habe auf das Licht gewartet, kümmerlich und schwach, einen grauen Strahl von draußen, es scheint jedoch, als würde die Nacht schrittweise dunkler werden, je mehr wir uns dem Morgen nähern. Die Finsternis hat gesiegt, ist unbezwingbar geworden.
Ich nehme den Koffer in die Hand, gehe hinaus auf den Parkplatz. Hinaus in die sterbende Welt. Das hier ist der letzte Ort, ein Talkessel, ein Waldstück. Schweden ist ein einziger langer Kiefernwald. Dreihundert lange Nächte, zehn Tonnen Schnee. Tausend Kühe, die auf tausend Männer zustolpern. Männer ohne Augen, die Frauen ohne Gesichter anstarren. Zwei tote Monde am Himmel in einer dunklen Erdennacht. Ohne Körper unter dem Hut gehe ich durch den Schnee. Ich gehe einfach, sehe niemanden, weiß, dass sie mich sehen können. Ein schwarzer Fleck auf einem weißen Blatt. Sie verfolgen jeden Schritt in diesem Epilog. Jetzt kommt das Licht. Weiß und stark, ein Licht, wie es aus einer Birne kommt, die im Begriff ist zu erlöschen. Ich bin dieses kranke Licht, ich bin in diesem Licht, in Kürze werde ich kräftig aufflammen, dann wird es vorbei sein. Pufff! Ich sehe den Koffer, der unter einer Straßenlaterne steht. Ich folge meinem Hut dorthin. Ich sehe hoch zu den Schneeflocken, die auf mich herabrieseln, Schneeflocken, die sich begegnen, vermischen, voneinander entfernen. Ich bin eine dieser Schneeflocken, verloren, auf Abwegen, eine Schneeflocke, die wortlos auf den Boden fällt. Für jede Schneeflocke, die fällt, soll ein neues Herz zu schlagen beginnen.
Ich gehe so langsam über den Parkplatz, dass die Nacht zum Tag wird, gehe so langsam, dass es wieder dunkel wird. Ich falle so langsam durch die Nacht, dass der Winter zum Frühling wird. Mein Körper ist so langsam, dass das Licht zurückkommt. Es wird Sommer, ich gehe durch den Juni, Juli, August. Ich höre den Wind in den Baumkronen über mir. Die letzten Tage im August habe ich immer gemocht, vielleicht weil du dann Geburtstag hast, Marny, es sind die schönsten Tage im Jahr, nicht wahr? Der Sommer, der einen Teil Herbst in sich trägt. Die Dunkelheit, die zurückkehrt. Der Regen. Ich weiß nicht, was heute für ein Tag ist, Marny. Ich bin ziemlich sicher, dass Sonntag ist. Das habe ich ausgerechnet.
Morgen ist Montag. Weißt du noch? Wie wir das immer sagten. Morgen ist Montag. Wir lagen am Sonntagabend im Bett, hielten uns vorm Einschlafen im Arm. Morgen ist Montag, sagten wir. Morgen beginnt eine neue Woche, alles wird gut. Wir werden in den Laden gehen, ein weiterer Tag mit Freuden und Sorgen. Wir sagten es uns auch in den letzten Monaten vor dem Konkurs. Wir sagten es uns mit Hoffnung in der Stimme. Die Dinge werden sich ändern, morgen werden Leute in den Laden kommen. Diese Woche wird es besser. Diese Woche wird gut. Es geht aufwärts, Liebes. Es muss aufwärtsgehen. Morgen ist Montag. Ich lege mich auf
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