Ein ehrliches Angebot: Roman (German Edition)
Ganz im Ernst wurde diskutiert, ob die Kirche schwarz gestrichen werden sollte, ursprünglich war sie so weiß gewesen wie Jesu Unterhose, in Realität aber war sie schmutzig grau. Nur wenige Monate nach einem neuen Anstrich hatte die Kirche wieder die Farbe einer Ratte. Der Kirchenrat benötigte vier Sitzungen, um zu dem Schluss zu kommen, dass eine schwarze Kirche ein Anbandeln mit dunklen Kräften implizierte. Jesus war das Licht, nicht die schwarze Nacht.
An einem Frühlingstag 1982 marschierte Arvid Lunde mit einer Yuccapalme unter dem Arm durch Odda. Natürlich haben wir das registriert, ein grauer Studienrat mit Yuccapalme unter dem Arm fällt in Odda auf. Später erfuhren wir, dass die Palme die Prämie der Weintombola im Lehrerzimmer war. Jeden Freitag durften zwei Glückspilze eine Flasche Wein durchschnittlicher Qualität mit nach Hause nehmen, doch als in der Schule eine Anlaufstelle für Drogen- und Rauschmittelmissbrauch eingerichtet wurde, fand der Verantwortliche in Absprache mit Direktor Brink, eine Weintombola sei fehl am Platze. Die Lehrer konnten die Schüler nicht vor den Gefahren des Alkohols warnen, wenn sie am Freitagnachmittag guten Mutes mit einer Weinflasche in der Hand aus dem Haupteingang kamen. Dennoch wollte Direktor Brink dem Kollegium nicht die Freuden einer Tombola nehmen, Freitag war Tombola-Tag, und in der großen Pause sollten die Lehrer ihren Spaß mit roten, rosafarbenen, blauen und gelben Losen haben. Obwohl der Direktor vermutlich einen der größten Weinkeller von ganz Odda hatte, argumentierte er, der eigentliche Spaß sei die Tombola, nicht die Prämie oder die Weinflasche. Frau Brink erhielt den Auftrag, eine Alternative auf die Beine zu stellen, und nach vierzehn Tagen hatte sie allerlei exotische und interessante Pflanzen beschafft, die das Lehrerkollegium beglücken sollten. Die beiden Pflanzen, die Arvid Lunde und der alkoholisierte Mathelehrer an diesem Nachmittag mit nach Hause nahmen, sollten jedoch die ersten und einzigen Prämien dieser Pflanzentombola bleiben. Am Freitag darauf ging Direktor Brink mit den Losen herum, aber das Kollegium lehnte ab. Mit Ausnahme des loyalen Chemielehrers wollte niemand ein Los erstehen.
Im Nachhinein betrachtet, konnte man in der Pflanzentombola eine Art Vorzeichen sehen, und die Yuccapalme wurde zum Symbol für die Yuppie-Zeit in Norwegen. Weiß der Himmel, warum eine Palme mit einem Stamm und spitzen Blättern mit der wirtschaftlichen Entfesselung assoziiert wurde. Unabhängig davon sollte sich zeigen, dass Arvid Lunde seiner Zeit voraus war. An einem Tag im April 1982 lief er mit der Yuppie-Zeit unter dem Arm durch Odda. Und ein paar Monate später schwebten also eins-zwei-drei-vier-fünf Busse über Haukeli. Über Haukeli! Durch die Telemark! Prost Tarjei Vesaas! Gebt mir eine Ballonflasche, sonst drehe ich durch! He, auf dieser Fahrt herrscht Alkoholverbot!
Die Fahrgäste in den fünf Bussen hatten beschlossen, sich von den humorlosen Kommunisten die Freude an der Fahrt nicht vermasseln zu lassen. Sie befanden sich schließlich auf einer Fahrt, an deren Ende die Willoch-Regierung abtreten konnte und ein neuer politischer Kurs für die Nation abgesteckt werden musste. Odda und Tyssedals Zukunft stehen auf dem Spiel. Da kann man den Kopf nicht hängen lassen. Die Fahrgäste genehmigen sich ein Schnäpschen oder zwei und kippen sich, wenn die Busse zur Mittagsrast oder für eine Pinkelpause halten, noch einen hinter die Binde. Die Oddaer sind sehr erfahren darin, auf den hinteren Sitzreihen im Bus, hinter Bussen oder verdeckt von Bussen zu trinken. Ein Leben lang sind wir zu Orchesterauftritten, Fußballspielen, Shoppingtouren gefahren. Also Prost, verdammt noch mal. Prost, Odda!
Vor der Tyssedalgeschichte war es kein Problem gewesen, über die Industrie als zentralen Teil der Nationenbildung zu sprechen. Mag sein, dass die Norweger ihre Industrie nie geliebt haben, jedenfalls nicht wie die Schweden oder die Deutschen. In Norwegen musste die Industrie als Gegensatz zur Natur herhalten. In der Natur kann man sich lieben, im Heidekraut, im Schnee, aber es gibt kein einziges Lied über die Liebe im Karbid oder auf Aluminium. Kein Mensch singt mit lauter Stimme über die gemeinsame Liebe, während rundherum Schmelzöfen knistern und glühen. Über die Jahre setzte sich dennoch langsam die Überzeugung durch, dass auch Norwegen die Industrie brauchte, das war schon in Ordnung, solange wir sie an Orten wie Sauda, Odda, Årdal und
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