Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein ehrliches Angebot: Roman (German Edition)

Ein ehrliches Angebot: Roman (German Edition)

Titel: Ein ehrliches Angebot: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frode Grytten
Vom Netzwerk:
bekommen. Ein englischer Schnösel, der eingeflogen worden war, um norwegische Mädchen zu taxieren, zeigte auffallend großes Interesse an Grace. In den ersten Runden gab er ihr zehn von zehn möglichen Punkten. Am Abend vor dem Finale lud er Grace in sein Zimmer ein, um sie zu lehren, wie man jemanden korrekt begrüßte. Mit großem Eifer erklärte der Engländer, dass die Hand bei der Begrüßung immer nach oben zeigen müsse. Sie nahm seine Hand und sagte, sie wolle ihn lehren, wie man sich in Norwegen verabschiedete. Lebwohl, sagte sie, ließ seine Hand los und ging aus dem Zimmer. Im Finale bekam Grace von dem Engländer nur zwei Punkte, was dazu führte, dass sie in jenem Jahr als fünftschönste Frau der Nation abschnitt. Für mich wirst du immer Miss Norway sein, sagte Arvid Lunde und küsste ihre Achselhöhle. Sie hatte ein Rückflugticket nach New York für den kommenden Montag, an besagtem Tag standen sie zusammen am Fenster und schauten auf die Inkognitogate. Dort standen sie noch, als ihr Flugzeug längst über Fornebu in den Himmel aufgestiegen sein musste. Beide hatten das Gefühl, dass sie hierhergehörten, hier sollten sie morgens und abends stehen, in der Morgen- und in der Abenddämmerung, an frühen Sommermorgen und an späten Herbstabenden.
    Als wir in den Illustrierten von dem neuen Paar lasen, war die erste Reaktion der meisten Oddaer: Warum um alles in der Welt vergeudet so eine tolle Frau ihre Zeit mit Arvid Lunde ? Allerdings hatte sich Lunde eine Aura der Unerschütterlichkeit erarbeitet, er war immer reicher geworden, jetzt war er 45 Millionen schwer. In der VG hatte man ein Foto von ihm gezeigt, auf dem er buchstäblich in Geld schwamm, Arvid Lunde lag in einem riesigen Geldspeicher und amüsierte sich. Wie kann sich ein erwachsener Mann so fotografieren lassen?, fragten die Leute, wurden aber sofort mit der Gegenfrage konfrontiert: Warum nicht? Er kann machen, was er will, er ist mit all seinem Geld ein freier Mann. Er nimmt sich selbst nicht so ernst, der Mann hat etwas. Aber er lief immer noch in seinen Hochwasserhosen herum und hatte sich einen Bart wachsen lassen, der ihm nicht stand. Im Schmelzer waren sich die Leute einig, dass Arvid Lunde definitiv nicht Gottes Geschenk an die Frau war. Geld ist das einzig Schöne an reichen Leuten, sagte Blondie. Und vice versa, sagte Vice Versa. Was sah sie bloß in ihm? Vielleicht stimmt es ja, dass es zwei Arten von Männern gibt: Die einen verdanken ihr Geld den Frauen, die anderen verdanken ihre Frauen dem Geld. Meinungsumfragen zeigen, dass zwei Drittel der amerikanischen Frauen bereit sind, für Geld zu heiraten. Diese Frauen sind Expertinnen darin, sich als bunte und attraktive Päckchen zu verpacken, die sich dem potentiellen Partner, der am meisten zahlt, zum Verkauf anbieten. Die Leute hatten über Grace und Arvid ihre eigene Meinung. Sie sagten: Sie ist eine Frau unter Millionen, er ist ein Millionär. Für einen reichen Mann ist die Frau die Schaufensterauslage, er will zeigen, was er erreicht hat. Vielleicht hat Grace sich ihm an den Hals geworfen, weil sie eines Morgens beim Blick in den Spiegel eine Falte im Gesicht entdeckt hatte, sie war schließlich 36. Ihre Augen hatten durchaus etwas von ihrem Glanz verloren und brauchten eine dickere Schicht Schminke. Die Jahre schlugen sich in ihrem Gesicht nieder, die Tage und Monate zeigten Wirkung auch bei ihr. Vielleicht konnte sie in die Zukunft sehen, genau wie Arvid Lunde auf dem Aktienmarkt, sie hatte Angst, eine von denen zu werden, die nicht mehr mithalten konnten und sich unter üppigen Pelzmänteln und hinter großen Sonnenbrillen versteckten. Vielleicht war das die ganze Erklärung: Sie war auf dem Weg nach unten, er war auf dem Weg nach oben. Zufällig trafen sie sich in der Mitte. Zwei Wassereimer in einem Brunnen.
    Alle Paare erleben ihren Liebessommer, und im Sommer 1985 rief Arvid Lunde mehrmals bei Fräulein Mowinckel an, um Bericht zu erstatten. Das Paar lebte in diesen Monaten zu beiden Seiten des Atlantiks, er konnte sowohl in Oslo als auch in New York bestens arbeiten. Gibt es eine größere Reise als die Liebe?, fragte er in einem Telefonat aus Manhattan. Nein, davon will ich nichts hören, sagte Fräulein Mowinckel in den Hörer. Doch, das willst du, insistierte er, du liebst schlüpfrige Details. Dann erzählte er, wie es sich anfühlte, Grace Mikkelsen auszuziehen, mit den Fingern ihre Haut zu berühren, in sie einzudringen. Ein solches Erlebnis gönne er allen

Weitere Kostenlose Bücher