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Ein ehrliches Angebot: Roman (German Edition)

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Titel: Ein ehrliches Angebot: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frode Grytten
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weißes oder hellblaues Hemd, weißes Einstecktuch, schwarze Socken und schwarze Schuhe. Alles in Grau, Schwarz und Weiß und doch so elegant. Am Sonntagabend legte Arvid Lunde fünf Anzüge mit passenden Hemden und Krawatten heraus, einen für jeden Arbeitstag der Woche. Zum ersten Mal freute er sich wirklich über gute Konfektion, den Anzugstoff, der seine Beine umschmeichelte, den Hemdstoff, der sich an seine Brust schmiegte. Ich will, dass das niemals aufhört, sagte er, das Hemd von Yves Saint Laurent schon halb ausgezogen, denn auch das wusste er jetzt: Gute Konfektion lässt sich leicht abstreifen, wenn erfahrene Hände tun, was erfahrene Hände tun sollen.
    Grace Mikkelsen und Arvid Lunde heirateten an Silvester 1985 in der New Yorker Seemannskirche. An dem Tag herrschte ein heftiger Schneesturm, der Tag zwischen den Hochhäusern war von seltenem Weiß. Sie trug ein pflaumenfarbenes ärmelloses Kleid, er einen schwarzen Anzug von Topman. Nur die Trauzeugen waren anwesend, Anniken Olsen, die Freundin von Grace, und Fräulein Mowinckel, Arvids gute Kollegin vom Gymnasium. Sie hatten im Waldorf Astoria ein siebengängiges Menü verspeist und bei Freddie Locus ein paar Drinks zu sich genommen. Die Bar war voller Menschen, Geschwätz und Gelächter gewesen. Die Hochzeitsreise machten sie mit dem Fahrstuhl auf die Aussichtsplattform des World Trade Center. Dort warf Grace ihren Brautstrauß nach unten, die Rosenblätter rieselten mit den Schneeflocken hinab.
    Es heißt, es gebe im Leben zwei Sorgen: Man hatte entweder zu wenig Geld oder zu viel. Arvid Lunde war jetzt definitiv in Phase zwei, das hätte ihn beunruhigen sollen. Denn was macht man, wenn alle Träume wahr geworden sind? Über wen kann man sich ärgern, wenn nichts schiefläuft? Ja, er hätte die Anzeichen der Krise erkennen müssen. Draußen in der Welt waren Firmen pleitegegangen, Banken verliehen Geld ohne ausreichende Sicherung, der Wind von rechts begann abzuflauen. Arvid Lunde summte sich durch den Tag, er sang Take on me und Sussuss-sussudio . Er hatte seinen Platz in der Welt gefunden. Alle brauchen eine Methode, und Arvid Lunde hatte seine gefunden. Gekleidet in Hemden von höchster Qualität, war er in ein emotionsgeladenes Nichts eingetaucht. Es war eine perfekte Lebensform. Er hatte ein erstklassiges Portfolio zusammengestellt, er brauchte seine Aktien nur noch zu pflegen. Im Interview mit Dagens Næringsliv sagte er, das Ganze sei wie Gartenarbeit: Man muss ein bisschen jäten, schneiden, stutzen, herumlaufen und es genießen. Im Schmelzer las die Valiumwalze das Interview laut vor, jäten, schneiden, stutzen , hahaha, er warf sich auf dem Stuhl nach hinten, stieß sich mit den Händen am Tisch ab, und der Stuhl sauste gegen die Wand. Was für ein Weichei! Die Valiumwalze ging zum Pinkeln, und vom Klo unten hörten wir: Jäten! Schneiden! Stutzen! Aber für Arvid Lunde waren es schöne Tage, und auch schöne Nächte. Das ist das Gift der Verliebtheit, alles ist schön. Der Regen im Central Park, noch nie hatte er so etwas Schönes gesehen. Die Lichter der Hochhäuser in der Dämmerung. Wunderschön. Die spielenden Kinder. Die Blätter an den Bäumen. Die beleuchteten Straßen. Die Menschenmenge. Die Stimmen. Die Gesichter. Alles war überwältigend schön. Die ganze Welt war ansprechend, sogar die Bettler auf der Straße waren überwältigend schön, eine Zeitung, die über den Asphalt flog, war bezaubernd, ein schmutziges Fenster war herrlich, sogar die Ausrufe auf dem Finanzmarkt waren sexy und einnehmend. Wie das Licht ins Zimmer fiel, wunderschön, ein Auto, das vorbeifuhr, hatte man so etwas schon gesehen, ein Bier bei Lorry , noch nie hatte er ein besseres Bier getrunken.
    Nachdem Arvid Lunde eineinhalb Jahre in Oslo gelebt hatte, stellte sich heraus, dass er um elf Zentimeter gewachsen war. Als wir das erste Mal davon hörten, dachten wir, Lundes Arzt sei nicht ganz richtig im Kopf. Solche Ärzte gibt es in allen Städten, sie sind ein bisschen zu alt geworden, sie klammern sich an Titel und Beruf. In Odda gab es einen Hausarzt, den die Leute den König von Dänemark nannten, weil er so freigebig Medikamente verteilte, als wären es Süßigkeiten. Er hatte ein reiches Tablettensortiment in seinem Pult, eine persönliche Apotheke. Mit müder Geste befriedigte der König von Dänemark alle Nachfragen nach Arznei. Er schaufelte eine Handvoll Pillen zusammen und sagte mit müder Stimme: Nehmen Sie die! Aber Lundes Arzt hatte den Kerl

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