Ein eisiger Tod - Ein Inspector-Rebus-Roman
dass die entsprechenden Messgeräte im
Augenblick nicht verfügbar sind. Wie kann ich also sicher sein, dass Sie nicht verwanzt sind?«
»Was erwarten Sie von mir?«
Mathieson bemühte sich, verlegen auszusehen. Es war reines Theater. »Ich würde Sie bitten abzulegen.«
»Keiner hat mir gesagt, dass es so eine Party werden würde.«
Mathieson lächelte, legte den Kopf schief und wartete darauf, dass seiner Bitte entsprochen wurde.
»Möchte vielleicht jemand mitmachen?«, fragte Rebus, während er sein Jackett auszog.
Sir Iain Hunter lachte.
Während er sich entkleidete, beobachtete Rebus die vier Männer. Simpson schien sich am wenigsten wohl in seiner Haut zu fühlen; wahrscheinlich, weil er der Rangniederste in der Gruppe war. Haldayne hatte sich an den Tisch gesetzt und spielte mit einem dicken verchromten Füller herum, als langweile ihn die ganze Sache bereits. Mathieson stand am Fenster, die Augen von der Entkleidungsszene abgewandt. Sir Iain aber starrte ihn an und ließ sich nichts entgehen.
Rebus machte weiter, bis er in Unterhose und Socken dastand.
»Danke«, sagte Mathieson. »Ziehen Sie sich bitte wieder an, und entschuldigen Sie, dass wir Ihnen das zugemutet haben.« Er sprach mit seiner geschäftsmäßigen Stimme, tief und selbstsicher. »Setzen wir uns doch.«
Simpson hatte noch gar nicht seinen Stuhl erreicht, als er schon lossprudelte. Er wisse gar nicht, was er hier überhaupt zu suchen habe, es sei doch alles so lang her …
»Sie sind hier, Joe«, erinnerte ihn Mathieson entschieden, »weil Sie gegen die Gesetze dieses Landes verstoßen haben. Wie wir alle.«
Dann wandte er sich an Rebus.
»Inspector, vor langer Zeit, fast in einem anderen Leben, profitierten wir alle von Unternehmen, die Derwood Charters gegründet hatte und leitete. Nun würde vor Gericht die Frage lauten: Wussten wir damals, dass diese Profite durch betrügerische Mittel erzielt wurden?« Er zuckte die Achseln. »Das ist eine Frage für die Anwälte, und Sie wissen, wie Anwälte sein können, besonders wenn es um Fragen des Gesellschaftsrechts geht. Sie könnten Jahre und mehrere Millionen Pfund benötigen, um zu ihren Schlussfolgerungen zu gelangen.Viel Zeit, viel Geld …« Er breitete die Hände aus, ein Showmaster, der seine Nummer abzog. »Und wozu? Tatsache ist, dass ein Teil dieser - illegal erzielten - Gewinne in den Bau dieser Fabrik investiert wurden, wodurch Hunderte von Menschen Arbeit bekamen, und indirekt weitere Hunderte, vielleicht sogar Tausende von Arbeitsplätzen entstanden. Darunter auch, wie Sie mir selbst sagten, für einen Freund von Ihnen. Nun würde das alles vor dem Gesetz nicht das Geringste zählen. Das Gesetz, heißt es ja, ist eine gestrenge Herrin.« Ein kleines Lächeln. »Aber das Gesetz, würde ich dagegenhalten, ist nicht alles. Es gilt darüber hinaus auch bestimmte moralische, ethische und wirtschaftliche Erwägungen zu berücksichtigen.« Er hob einen Finger, um sein Argument zu unterstreichen, und legte ihn sich dann an die Lippen. »Die Gesetze der Moral, Inspector, sind etwas ganz anderes. Wenn schmutziges Geld für einen guten Zweck eingesetzt wird, kann man es dann wirklich noch als ›schmutziges Geld‹ bezeichnen? Wenn ein Kind ein paar Äpfel stiehlt und später ein begabter und aufopfernder Chirurg wird, welcher Richter würde ihn dann noch wegen des einstigen Diebstahls verurteilen?«
Mathieson hatte seine Rede gut einstudiert. Rebus bemühte sich, nicht zuzuhören, aber seine Ohren funktionierten einfach zu gut. Mathieson schien ein Wanken in ihm zu spüren. Er stand auf und kam um den Tisch herum.
»Nun, Inspector, wenn Sie uralte Geschichten wieder ausgraben wollen, dann müssen Sie das eben tun, aber die Konsequenzen werden Sie mit Ihrem Gewissen abmachen müssen. Mein Gewissen wird rein sein.«
Rebus überlegte sich, ob Mathieson ein Dossier über ihn zusammengestellt, ihn beobachtet und seine Bekannten befragt hatte. Nein, diese Methoden hätten die eigentlichen Wahrheiten nicht zutage gefördert, den Mann nicht offenbart, an den Mathieson gerade so subtil und geschickt appellierte. Es musste mehr als das sein: Instinkt.
»Es ist ein Mord begangen worden«, entgegnete Rebus.
Mathieson hatte diesen Einwand erwartet. »Ohne Wissen einer der hier anwesenden Personen«, sagte er.
»Wollen Sie damit sagen, dass Charters das in Eigenverantwortung getan hat?«
Mathieson nickte und strich sich dabei über den Bart. Rebus fragte sich, ob er ihn sich zum
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