Ein eisiger Tod - Ein Inspector-Rebus-Roman

zurück und riss dann die Tür auf. Siobhan Clarke, die durch den Briefschlitz gespäht hatte, richtete sich auf, aber Rebus’ Augen waren auf Brian Holmes gerichtet.
    »Abgefüllt, ja, Brian? Freut mich, dass Sie eine so hohe Meinung von mir haben.«
    Holmes zuckte nur die Achseln. »Das ist das, was ich im Urlaub tun würde.«
    Rebus stand mit verschränkten Armen in der Tür. »Und, was machen Sie hier: Wahlwerbung, Meinungsumfrage oder einen schlichten Verdauungsspaziergang?«
    »Wir haben gearbeitet«, erklärte Brian Holmes, »und uns anschließend was zum Essen geholt, und als uns die interessanten Themen ausgingen, kam das Gespräch auf Sie.«
    »Und?«
    »Wir haben uns gefragt«, erwiderte Siobhan Clarke, »was zum Teufel eigentlich los ist.«
    »Da sind Sie nicht die Einzigen.« Er trat von der Tür zurück. »Sie kommen besser rein. Sie sind die Ersten; ich hab noch nicht mal die Salzstangen ausgepackt.« Er sah auf dem Boden hinter Holmes eine braune Tragetasche stehen.
    »Wir haben unseren eigenen Proviant mitgebracht.« Als Holmes die Tasche aufhob, hörte Rebus Dosen und Flaschen klirren.
    »Sie sind hier immer willkommen, Brian«, meinte Rebus und ging den beiden voraus.
     
    Sie saßen im Wohnzimmer und starrten auf den Haufen Papierschnipsel. Siobhan Clarke trank einen Schluck Kaffee.

    »Die haben Sie gestohlen? «
    Rebus schüttelte den Kopf. »Den Steuerzahlern einen Dienst erwiesen; ich hab den Müllmännern Arbeit abgenommen.«
    Holmes warf Siobhan einen Blick zu. »Wir sind schließlich hergekommen, um zu helfen.«
    »Ja, aber das …« Sie wedelte mit den Armen. »Hier kämen ja nicht mal die Heinzelmännchen zu Rande. Man könnte wahrlich von ›Fitzelchen eines Beweises‹ sprechen.«
    Rebus hob beschwichtigend die Hand. »Hören Sie, das ist mein Problem, nicht Ihres. Ich werde nicht enttäuscht sein, wenn Sie sich verziehen. Im Gegenteil, es wär sogar für Sie beide besser, wenn Sie’s täten.«
    »Das wissen wir«, sagte Holmes.
    Rebus sah ihn an. »Was meinen Sie damit?«
    Siobhan Clarke erklärte es ihm. »Der Farmer hat heute Nachmittag mit uns geredet - besser gesagt: Er hat uns gewarnt. Er sagte, Sie seien beurlaubt, aber er glaube nicht, dass Sie das davon abhalten würde, Ihre Nase weiter überall reinzustecken.« Sie sah auf. »Seine Worte, nicht meine.«
    »Wir haben neue Aufgaben bekommen«, fügte Holmes hinzu. »Schreibtischarbeit, die Umstrukturierung des Ablagesystems vor der Umstellung auf EDV.«
    »Um Sie zu beschäftigen?«
    »Ja.«
    »Und von mir fern zu halten?«
    Sie nickten beide.
    »Also haben Sie natürlich nichts Eiligeres zu tun, als schnurstracks hierherzukommen?« Rebus stand auf. »Sie könnten sich damit beide Ihre Karriere versauen!«
    »Ich bin nicht zum CID gegangen, um irgendwelchen Papierkram zu sortieren«, gab Siobhan Clarke zurück. Dann wurde ihr bewusst, was sie gerade gesagt hatte, sah auf den
Haufen Papierschnipsel, der vor ihr lag, und brach in Gelächter aus.
    Und die anderen mit ihr.
     
    Beim dritten Sack landeten sie einen Treffer.
    »Sehen Sie her«, sagte Siobhan Clarke, »das ist hier nicht bloß weißes Papier.«
    Rebus nahm ihr einen Streifen aus der Hand: gelber Karton. »Aktendeckel«, stellte er fest. »Sie haben die Heftordner gleich mitgeschreddert!«
    »Muss ja eine wahre Teufelsmaschine sein«, fügte Brian Holmes hinzu.
    »Das ist eine verdammt gute Beobachtung, Brian.«
    Die Aktendeckel bedeuteten einen Durchbruch. Das Problem mit dem Papier war, dass es zu viel davon gab. Karton gab es nicht annähernd so viel und ließ sich anhand der Farbe sortieren. Auf der Vorderseite jedes Heftordners klebte ein gedrucktes Etikett, und auf die war Rebus aus. Er wollte die Etiketten wieder zusammensetzen.
    Aber selbst jetzt, wo sie wussten, wonach sie suchen sollten, war es eine zeitraubende und anstrengende Arbeit. Rebus brannten die Augen, und er rieb sie sich dauernd, wovon er nur noch verschwommener sah.
    »Haben Sie was?«, fragte er alle naselang. Sie schüttelten nur den Kopf. Rebus leerte die Dosen ohne jede fremde Hilfe. Ihm war klar, dass er zu viel getrunken hatte, als er eine Dose Irn-Bru öffnete, ohne zu merken, dass es alkoholfrei war. Nachdem die letzten Studenten pöbelnd durchgezogen waren, wurde es draußen ruhiger. Gegen halb drei schaltete sich die Zentralheizung aus, und Rebus drehte den Gasofen an. Jeder von ihnen arbeitete an einer unterschiedlichen Farbe.
    »Ich hab einen der Heftordner gesehen, als Mrs.