Ein eisiger Tod - Ein Inspector-Rebus-Roman
Straße weit und breit kein Mensch, der ihm hätte Starthilfe geben können. Also ging er wieder nach oben und bestellte sich ein Taxi, wobei er zu spät bemerkte, dass Öl an den Fingern und inzwischen auch an einem Hosenbein klebte.
Seine Laune war nicht die beste, als der Fahrer ihn quer durch die Stadt zur Oxford Terrace chauffierte.
Sammy machte ihm auf. Sie trug eine dicke schwarze Strumpfhose zu einem kurzen Kleid vom Flohmarkt. Unter dem Kleid hatte sie ein weißes T-Shirt an.
»Du bist fast pünklich«, sagte sie. »Wir hatten dich nicht so früh erwartet.«
»Bringt dir Patience solche Sprüche bei?«
Er folgte seiner Tochter den Korridor entlang ins Wohnzimmer. Kater Lucky sah Rebus einmal an, schien ihn wiederzuerkennen und verzog sich beleidigt in den Wintergarten. Rebus hörte das Katzentürchen zufallen. Jetzt waren es nur noch zwei gegen einen; Rebus’ Chancen verbesserten sich zusehends.
Er wusste, dass es gewisse Dinge gab, die Vätern ihren Töchtern sagten, kleine kritische Bemerkungen, die sie machen mussten, um ihr liebevolles Interesse zu bekunden. Aber Rebus wusste auch, wie seine kleinen kritischen Bemerkungen klingen würden: wie kritische Bemerkungen eben. Also behielt er sie lieber für sich. Patience kam aus der Küche und trocknete sich die Hände mit einem Geschirrtuch ab.
»John.«
»Hallo, Patience.« Sie küssten sich so, wie Freunde das tun: ein Küsschen auf die Wange, eine Hand auf die Schulter.
»Nur zwei Minuten«, sagte sie und verschwand wieder in der Küche. Er bezweifelte, dass sie ihn überhaupt richtig angesehen hatte. »Geht schon mal in den Wintergarten.«
Auf dem Tisch lagen eine saubere weiße Decke und auch schon ein paar Teller. Patience hatte ihre Topfpflanzen für den Winter hereingeholt, weshalb kaum noch Platz für etwas oder jemand anderen übrig blieb. Die Sonntagszeitungen lagen auf der Fensterbank. Rebus wählte den Stuhl, der der Gartentür am nächsten stand.Wenn er durch das Wintergartenfenster hinaussah, konnte er durch das Küchenfenster hineinsehen. Patience machte sich an der Spüle zu schaffen; ihr Gesicht verriet keinerlei Regung. Sie sah nicht auf.
»Und, gefällt’s dir hier?«, fragte Rebus seine Tochter.
Sie nickte. »Es ist toll, und Patience auch.«
»Und wie ist der Job?«
»Sehr anregend; nicht einfach, aber anregend.«
»Was machst du da eigentlich genau?«
»SWEEP ist eine ziemlich kleine Organisation, wir packen alle mit an. Offiziell besteht meine Aufgabe darin, die Kommunikationsfähigkeit meiner Klienten zu entwickeln.«
Rebus nickte. »Du meinst, damit sie ein bisschen höflicher sind, wenn sie das nächste Mal eine Oma überfallen?«
Sie starrte ihn wütend an, und er hob die Hände. »Nur ein kleiner Scherz«, beruhigte er sie.
»Vielleicht solltest du auch ein bisschen an deiner Kommunikationsfähigkeit feilen.«
»Er ist etwa so subtil wie ein Knüppel auf den Kopf«, sagte Patience, die gerade mit der Teekanne hereinkam.
»Kann ich helfen?«, bot Sammy an.
»Du bleibst sitzen, ich bin in einer Sekunde wieder da.«
Sie blieb erheblich länger als eine Sekunde weg; währenddessen ruhte die Konversation. Rebus beobachtete Kater Lucky, der ihn vom Gartenweg aus anstarrte. Patience kehrte mit einer Platte voller verschiedener Kuchenstücke
und Kekse zurück. Sein Zahn flehte ihn an: keine heißen Getränke, keine Kuchen oder Kekse, nichts Süßes, nichts Knuspriges!
»Ich schenk schon mal ein«, sagte Sammy. Das Türchen klapperte, als Lucky wieder hereinkam, um an den Leckereien teilzuhaben.
»Kuchen, John?«, fragte Patience und hielt ihm als Erstem die Platte hin. Er nahm das kleinste Stück, das er finden konnte, ein dünnes Endscheibchen Sandkuchen. Patience betrachtete seine Wahl mit Argwohn: Am liebsten hatte er früher immer Ingwer-Biskuitkuchen gemocht, und sie, die den nicht ausstehen konnte, hatte extra einen besorgt.
»Sammy«, meinte Patience, »probier doch den Ingwerkuchen.«
»Ist mir ein bisschen zu süß«, erwiderte Sammy. »Ich nehm nur einen Keks.«
»Schön.«
»Dieser Verein, bei dem du bist«, fing Rebus an.
»Er heißt SWEEP«, erinnerte ihn Sammy.
»Ja, SWEEP, von wem wird der eigentlich finanziert?«
»Wir sind als gemeinnützig anerkannt und bekommen gelegentlich Spenden. Aber wir verbringen viel zu viel Zeit damit, uns mögliche Mittelbeschaffungsmaßnahmen zu überlegen. Der größte Teil des Geldes stammt vom Scottish Office.« Sie wandte sich zu Patience. »Wir haben so
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