Ein eisiger Tod - Ein Inspector-Rebus-Roman
sie machten erheblich höhere Gewinne, als sie von Rechts wegen gekonnt hätten.«
»Ich dachte, um nichts anderes ginge es beim Thatcherismus. Hieß eine seiner Firmen Mensung?«
»Ja.«
»Und hatten alle seine Firmen mit Umschulungen zu tun?«
»Mehr oder weniger. Ihre organisatorischen Strukturen waren dermaßen verwickelt - buchstäblich labyrinthisch -, dass nicht einmal unsere Spezialisten sich da durchfinden konnten. In einem Punkt waren sie sich alle einig: Derry Charters war ein Genie, wenn es darum ging, Spuren zu verwischen. Man konnte eine seiner Firmen monatelang unter die Lupe nehmen und doch nicht hinter ihren finanziellen Status kommen.«
»Ich habe gehört, er soll früher mal bei der Finanzierung von PanoTech mitgemischt haben.«
»Wer hat Ihnen das erzählt?«
»Stimmt es?«
»Ich glaube nicht. Haben Sie das von einem von Charters’
Investoren?« Rebus nickte. »Wahrscheinlich ein Märchen, das er selbst in die Welt gesetzt hat. Er konnte sehr überzeugend sein.«
»Aber das alles war vor acht, neun Jahren.«
»Ja, und seitdem hat er sich unauffällig verhalten - jedenfalls, bis er anderer Leute Finger an Albavise verbrannt hat.«
»Warum sind Sie dann immer noch hinter ihm her, wegen so einer uralten Sache?«
»Aus zweierlei Gründen. Erstens habe ich beim Betrugsdezernat eine Menge Zeit und Mühe in die Ermittlungen gegen ihn investiert, ohne zu irgendeinem Ergebnis zu gelangen. Das ist wahrscheinlich der einzige dunkle Fleck in meiner Personalakte. Zweitens dürfte er sich unseren damaligen Schätzungen zufolge Millionen zusammengegaunert haben.« Jetzt hatte er Rebus’ ungeteilte Aufmerksamkeit. »Millionen«, wiederholte er. »Und in meinen Augen ist das durchaus ein stichhaltiger Grund, ihm weiter auf den Fersen zu bleiben.«
»Wem hat er denn diese Millionen abgegaunert?«
Aber Gunner zuckte lediglich die Achseln. Rebus überlegte. Die Bar füllte sich allmählich, und der Fernseher war auf die Fußballergebnisse umgeschaltet worden. Nicht dass besonders viele Begegnungen stattgefunden hätten; die meisten Plätze waren wegen des Frosts unbespielbar.
»Ich habe die Ermittlungsunterlagen in der Albavise-Sache gelesen. Besteht die Chance, dass ich mir auch die übrigen Akten ansehen kann?«
Gunner sah ihn nachdenklich an. »Es ist eine gewaltige Menge Papier, und völlig ungeordnet. Glauben Sie, Ihnen würde irgendetwas auffallen, was unsere Finanzgurus übersehen haben?«
Rebus zuckte die Schultern. »Nur für meinen Seelenfrieden. Ich würde mich auch gern mit Charters persönlich unterhalten.«
»Was?«
»Sein Zellengenosse hat Selbstmord begangen. Es sieht merkwürdig aus, wenn niemand sich die Mühe macht, ihn nach McAnallys Gemütszustand unmittelbar vor seiner Entlassung zu befragen. Ich meine, wer sollte es besser wissen als er?«
Gunner nickte. »Gutes Argument.«
»Apropos McAnally, wie viel haben Sie ihm gezahlt?«
»Was?«
»Er arbeitete für Sie, lieferte Ihnen Informationen, da nehme ich doch an, dass er bezahlt wurde.«
»Er hat uns nichts von Bedeutung geliefert. Wir haben ihm ab und zu ein paar Pfund zugesteckt, das ist alles.« Rebus sah vor seinem geistigen Auge Tresa McAnallys Wohnung: neue Tür, neue Ausstattung, neuer Fernseher. »Ist das irgendwie von Bedeutung?«
»Für Wee Shug war es das«, antwortete Rebus leise. Irgendwoher war das Geld gekommen, das er an Tresa weitergegeben hatte, fast wie eine Lebensversicherung.Wen kannte Wee Shug, der Geld hatte, außer seinem Zellengenossen?
Gunner leerte den Rest seines Safts. »Ich wüsste zu gern, was Sir Iain heute Nacht treibt.«
»So viel wie er geschluckt hat, würde ich sagen, seinen Rausch ausschlafen. Fährt er eigentlich jeden Tag nach Edinburgh und wieder zurück?«
»Den Landsitz nutzt er nur am Wochenende. Ansonsten hat er eine Wohnung in der Neustadt.«
»Wo da genau?«
»Am Royal Circus, glaube ich.«
Am Royal Circus, dachte Rebus, wo Haldayne ein paar seiner Knöllchen bekommen hatte. Das Leben war doch wirklich voller merkwürdiger Zufälle - wenn man an Zufälle glaubte, heißt das, was Rebus für sein Teil nicht tat.
31
Sonntags früh stand ein verschlafener Detective Sergeant von der Zentrale der Lothian & Borders Police bei Rebus auf der Matte.
»Sie helfen besser mit«, sagte er.
Rebus ging mit ihm hinunter auf die Straße, wo ein Streifenwagen mit laufendem Motor stand. Er spähte durch das Beifahrerfenster.
»Vielleicht sollten wir eine Winde mieten.«
Sie
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