Ein Elefant im Mückenland
übernachten konnte, sie sollten nur alles sauber hinterlassen und hinter sich abschließen.
Sie richteten sich häuslich ein. Ihnen blieb reichlich Zeit, denn Kaarinas Skippervetter hatte mitgeteilt, dass sein Schiff in gut einer Woche in Mustola eintreffen werde. Eigentlich war es sogar recht angenehm, nach der langen Wanderung ein bisschen Urlaub zu machen.
Lucia schloss die Tür ihres Elternhauses auf und trat still ein. Alles war noch an Ort und Stelle, es wirkte, als wären Mutter und Vater nur mal kurz weggegangen, etwa um im Kirchdorf einzukaufen oder in der nahen Stadt Verwandte zu besuchen. Paavo betrachtete die kleine Stube, die gestreiften Fußmatten, die hübschen Bilder an den Wänden, den Geschirrschrank, den gro-ßen Backofen, den Schaukelstuhl, alles rührend schön. Er sagte, dass er selten ein so schmuckes Heim gesehen habe. Lucia umarmte ihn mit Tränen in den Augen, und dann gingen sie in die Schlafkammer, in der alles wie in Erwartung von Gästen bereit war: Die Betten waren gemacht, auf dem Tisch lag eine Decke, im Regal stan-den Bücher, am Fenster hingen Gardinen. Es gab noch eine zweite kleinere Schlafkammer und in der oberen Etage ein Zimmer. Lucia und Paavo richteten sich in der großen Schlafkammer ein. Emilia brachten sie zur Nacht in die Scheune, und dann legten sie sich schlafen. Am nächsten Nachmittag wachten sie munter auf, fütterten Emilia und machten sich ein Frühstück.
Lucia sagte, da sie jetzt Zeit hatten, wäre es eigentlich eine Sünde, wenn sie nicht den berühmten Lammbraten von Lemi zubereiten würde. Paavo wusste, dass es sich um ein südkarelisches Traditionsgericht handelte, das sehr lecker war, allerdings hatte er es noch nie geges-sen. Sie riefen im Gemeindebüro an, wo man ihnen einen Bauernhof nannte, auf dem sie Lammfleisch bestellen konnten. Sie nahmen zehn Kilo, dann hätten sie gleich noch Proviant für die Schiffsreise. Am Nach-mittag brachte der Bauer das Fleisch, und dazu gleich noch ein Kilo grobes Salz. Er sagte, dass das Fleisch vier Tage in Salzwasser liegen sollte, ehe man es briet. Paavo bezahlte, und dann legten sie das Fleisch nach der Anweisung des Bauern ein, also ein Kilo Salz und zehn Kilo Fleisch.
Paavo, ein Großbauer aus Satakunta, ging interessiert über die Felder und durch die Wirtschaftsgebäude des Kleinbauernhofes. Lucias Vater hatte nicht mal einen eigenen Traktor besessen, sondern hatte für die Feldar-beiten ein Pferd eingesetzt und sich für die schwereren Arbeiten die Maschinen des Nachbarn geliehen. Im Schuppen standen noch die alten Geräte, die das Pferd gezogen hatte: ein Pflug, zwei Eggen, eine Mähmaschine, Wagen und Schlitten. Auf den Feldern wuchs immer noch altes Timotheus-Gras, obwohl sie schon vor Jah-ren brachgelegt worden waren. Paavo hatte die Einge-bung, dass er doch Emilia vor die alte Mähmaschine spannen und nach früherer Art Heu machen könnte. Wenn er die paar Hektar aberntete, hätte Emilia genug Futter für die ganze lange Schiffsreise bis nach Afrika. Lucia war begeistert und machte das Zaumzeug fertig, dann zogen sie die Mähmaschine aus dem Schuppen und vergewisserten sich, dass sie in Ordnung war. Paavo benutzte Emilias Stoßzahnvaseline, um die be-weglichen Teile der Maschine einzuschmieren, die eben-falls heil waren. Also den Elefanten ins Geschirr und auf in die Heumahd !
Das Anschirren des Elefanten vor die alte Mähma-schine erwies sich als einfach, dank Eljas' speziellem Sattel, der um den Rand einen Sicherheitsrahmen aus zweieinhalb Zoll dickem Aluminium hatte. Paavo kam auf die Idee, am hinteren Teil der Rohre eine Deichsel zu befestigen, und die besorgte er sich im nahen Wald. Er suchte sich zwei dünne Fichten aus, die leicht und trotzdem zäh waren. Der Stamm war nur zehn Zentime-ter dick, die Spitze, in sechs Metern Höhe, vier Zentime-ter. Er fällte sie und trug sie auf den Schultern zum Haus, wo er in den Vorräten ein altes Gerät zum Entäs-ten fand. Er schälte die Stämme und befestigte sie mit Lederriemen an den Aluminiumrohren, die anderen Enden an der Zugdeichsel der Maschine. Nun war alles bereit! Lucia stieg in Emilias Sattel, Paavo setzte sich auf die Mähmaschine, um die Schneide zu führen. Als Sitz diente eine alte durchlöcherte Stahlplatte, die der Form des Gesäßes angepasst war, solche Dinger waren nach dem Krieg verwendet worden. Der stählerne Schaft darunter diente als Fuß und als Feder.
Es war ein eindrucksvoller Anblick, wie der riesige E-lefant da in seiner
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