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Ein Elefant im Mückenland

Titel: Ein Elefant im Mückenland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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wiederherzustellen. Die Ratten kümmerten sich gar nicht darum. Elefanten haben ein ausgezeichnetes Gehör und einen ebensolchen Geruchs-sinn, sodass Emilia sehr wohl wusste, in welcher Ecke die Ratten ihr Fest feierten. Sie nahm Anlauf und sauste mit vorgestreckten Stoßzähnen in die Dunkelheit. Die Ratten verschwanden in ihren Löchern, aber die wüten-de Emilia konnte ihr Tempo nicht mehr drosseln und krachte frontal gegen eine Seitenwand. Der Schiffsrumpf war einfach gebaut und bestand aus genietetem Eisen-blech. Die Stoßzähne bohrten sich durch die verrostete Wand, als wäre sie aus Pappe.
    Gerade um diese Zeit ging ein schwarzer Hafenwäch-ter über den einsamen nächtlichen Kai. Er wunderte sich nicht schlecht, als er das Dröhnen brechenden Eisens hörte und sah, dass ein Schiff, das in dem ruhi-
    gen Hafenbecken lag, plötzlich anfing zu schaukeln. Aus seiner Wand oberhalb der Wasseroberfläche schoben sich zwei mächtige Stoßzähne, und drinnen im Lade-raum war der durchdringende Trompetenschrei eines Elefanten zu hören. Bald verschwanden die Stoßzähne, zurück blieben zwei oberschenkeldicke Löcher.
    Der Wächter alarmierte die Schiffsbesatzung. Emilia wurde schleunigst auf den Kai gehievt. Lucia war in ihrer Kabine, erwacht und kam heraus, um beruhigend einzugreifen. Der Chief prüfte den entstandenen Scha-den, schlimm war er nicht, das Schiff hatte kein Leck bekommen. Er entschied, dass die Löcher nach Tages-anbruch einfach zugeschweißt würden. Der Kapitän wiederum versicherte Lucia, dass sie sich wegen dieses kleinen Vorfalls keine Sorgen zu machen brauchte, die Reederei würde sie nicht wegen der Kosten belangen. Die Hauptsache war, dass der Elefant keinen Schaden genommen hatte.

    Busfahrer Heikki Moilanen blieb als Safarichauffeur in Afrika, aber Lucia Lucander kehrte zwei Wochen später wieder in die Heimat zurück und zog zu Paavo ins Haupthaus von Gut Köylypolvi. Kaarina zog mit Sport-lehrer Riisikkala in die Gesindestube.
    Emilia gewöhnte sich sehr gut in Afrika ein und schloss schnell Bekanntschaft mit den dortigen Elefan-ten. In ihrer Größe und ihren Fähigkeiten übertraf sie bei weitem die Wildelefanten. Bald stellte sich eine ge-horsame Herde unter ihren matriarchalischen Schutz, sie wurde die Anführerin und konnte frei wählen, mit welchem männlichen Tier sie näher zu tun haben wollte.
    Der Naturpark Addo liegt zwanzig Kilometer landein-wärts, von Port Elizabeth nach dort sind es mehr als fünfzig Kilometer, die Straße führt durch ein steiles Küstengebirge. Der Park umfasst ein Gebiet von fünf-undsechzig Quadratkilometern, und dort ziehen drei-hundertsiebzig Elefanten umher. Die elefantensicheren Zaunpfähle bestehen aus Bahnschienen, und der Zaun-draht aus Bergwerksstahltrossen, die einen Zoll dick sind. Die Elefanten und anderen Wildtiere können sich frei in der üppigen Strauchsavanne bewegen, aber die Touristen sind in ihren eigenen Stützpunkten einge-schlossen und dürfen die Tiere nur in Begleitung profes-sioneller Guides und aus Fahrzeugen heraus betrach-ten. Die Menschen sind also eingezäunt, die Elefanten, die Nashörner, die Höckerschweine und die verschiede-nen Arten von Antilopen sind auf freiem Fuß.
    In jener Gegend gab es noch in den 1850er Jahren bis zu 4000 Elefanten, aber als die Europäer begannen, dort Zitrusfrüchte anzubauen, entstand ein Problem. Elefan-ten sind nämlich außerordentlich scharf auf Apfelsinen, Zitronen und andere leckere Früchte, und so zerstörten sie die Haine, worauf die Menschen sie töteten. Inner-halb von hundert Jahren wurden die Elefanten fast gänzlich ausgerottet. Im Jahre 1950 waren nur noch elf Exemplare übrig. Damals wurde beschlossen, den Na-turpark Addo zu gründen. Aus anderen Gegenden Afri-kas wurden Elefanten nach Addo geholt, und jetzt gibt es dort also bereits 400 Tiere, darunter der in eine füh-rende Position aufgestiegene Zirkuselefant Emilia von Lucia Lucander.
    NACHWORT
    Als Autor dieses Buches begab ich mich im Jahre 2005 auf Emilias Spuren und reiste nach Addo.
    Ich verbrachte viele Tage im Naturpark und nahm an zwei Safaris teil. Ich sah oft Elefanten, mehrere Herden zogen durch das mit Sträuchern bewachsene Gelände. In der Nähe der schmalen Parkwege hielten sich ein paar griesgrämige, einsame Elefantenbullen auf, es waren Tiere, die einst in der Herde eine geachtete Positi-on innehatten, im späteren Alter aber aus der Füh-rungsrolle verdrängt wurden und den Rest ihres Lebens in

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