Ein Elefant im Mückenland
Leuten, Ver-wandten und Freunden, ins Grab geleitet. Es war keine sehr lustige Beerdigung. Oskari hatte kaum Freunde gehabt, er hatte einsam und allein getrunken, hatte das trostlose Leben eines Alkoholikers geführt. Seinen Sarg trugen Paavo, Kaufmann Taisto Ojanperä sowie Tauno Riisikkala und drei weitere Feuerwehrmänner. Laila Länsiö hatte für die Gäste ein Essen vorbereitet, sie servierte Huhn, gab es doch auf dem Hof Tausende der gackernden Viecher. Taisto Ojanperä sagte, dass er nach Ablauf einer angemessenen Trauerzeit zu Laila ziehen werde, um den Hof zu führen. Später dann könnten sie zusammen sowohl den Laden als auch die Hühnerfarm betreiben.
MIT DEM ELEFANTEN
IN DER HEUERNTE
Nach der Beerdigung fuhren Lucia und Paavo wieder nach Luumäki, um Emilia bei Igor abzuholen. Der ehe-malige polnische Kosak und heutige LKW-Beifahrer hatte den Einfall gehabt, Emilia in der während des Krieges ausgehobenen Felshöhle von Salpalinja einzu-quartieren, auch er selbst hatte dort gehaust, hatte im Schein eines Lagerfeuers seine alte Gefährtin gestriegelt und mit ihr russisch geredet. Morgens hatte Emilia ihren alten Zugbetreuer damit erfreut, dass sie Trepak getanzt und zugleich versucht hatte, ihm neue westliche Schrittfolgen beizubringen. Sie hatten es sehr lustig zusammen gehabt, erzählte Igor.
Paavo bezahlte ihm für Emilias Betreuung einen Lohn von zwei Wochen, obwohl für Oskaris Beerdigung und das Verprügeln des Sportlehrers nur drei Tage draufge-gangen waren.
Lucia Lucander hieß also eigentlich Sanna Tarkiainen. Sie stammte aus Lemi, wo ihre Eltern einen kleinen Bauernhof besessen hatten. Sie hatten den Viehbetrieb schon vor zwanzig Jahren eingestellt, den Hof an den Enso-Gutzeit-Konzern verkauft und waren nach Lappeenranta gezogen. Jetzt ruhten beide auf dem Friedhof von Lemi neben einer schönen Kreuzkirche.
Lucia und Paavo ritten mit Emilia zum Friedhof, wo sie einen schönen, selbst gepflückten Blumenstrauß auf das Grab ihrer Eltern legte. Anschließend sahen sie sich die Kirche an, denn die Tür stand offen, da es ein heißer Sommertag war. Von drinnen ertönte vierstimmiger Gesang. Lucia erzählte, dass das eine alte Tradition in der Kirche von Lemi war, bedingt dadurch, dass es im neunzehnten Jahrhundert dort keine Orgel gegeben hatte. Vierstimmiger Gesang ergab eine schöne Beglei-tung für die Lieder während des Gottesdienstes. Jetzt war zwar eine Orgel vorhanden, doch der Kirchenchor traf sich nach wie vor, um die uralte Tradition zu pfle-gen, und das war momentan gerade der Fall.
Das Gebäude hatte die Form eines Kleeblattes, die weißen Wände waren mit zartroten Schmucklinien eingefasst. Lucia sah Paavo bedeutsam an und sagte, dass sie, sollte sie je heiraten, in ebendieser heimatli-chen Kirche getraut werden wollte.
Paavo machte ihr gleich einen Antrag, und sie willigte sofort ein. Sie könnten auf jeden Fall in wilder Ehe oder in einer Lebensgemeinschaft zusammenleben, wenn Lucia wieder aus Afrika zurück wäre.
Lucias Elternhaus lag am Rande des Kirchdorfes, unmittelbar am Ufer des schönen Lahnajärvi-Sees. Die südkarelischen Moränenhügel waren bedeckt von hohen Kiefernwäldern. Der See war klar und hatte einen Sand-strand. Das Haus selbst war recht bescheiden, der rote Anstrich war verblichen, aber sonst schien es einiger-maßen in Ordnung zu sein. Unmittelbar neben dem Haus standen Kuhstall, Sauna und Schuppen, etwas weiter entfernt Scheune und Heuschober. Lucia erzähl-te, dass es sich tatsächlich nur um einen kleinen Bau-ernhof mit insgesamt fünfzig Hektar gehandelt hatte, davon nur acht Hektar Feldfläche. Aber er hatte ge-reicht, um die Familie zu ernähren, Lucia hatte noch zwei Brüder, beide führten natürlich ebenfalls längst ihr eigenes Leben, einer war Ingenieur in den Werken von Kaukopää, der andere Arzt in Kajaani.
»Und ich ging zum Zirkus, weil ich nicht gern lernte und zu wild war.«
Sie führte Paavo in den Schuppen, der mit landwirt-schaftlichem Gerät und anderen entsprechenden Dingen gefüllt war. An der Wand stand ein Schleifstein, Lucia griff in die Wasserschale und holte die Hausschlüssel heraus. Dort, an dem alten angestammten Platz, lagen sie also nach Jahren immer noch. Sie überlegten, ob sie vielleicht den Konzern informieren sollten, dass sie vorübergehend in dem alten Haus wohnen wollten. Paavo rief dort an, und man sagte ihm, dass die Tochter des ehemaligen Besitzers natürlich ohne weiteres mit ihrem Begleiter dort
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