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Ein endloser Albtraum (German Edition)

Ein endloser Albtraum (German Edition)

Titel: Ein endloser Albtraum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Marsden
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einem Laden, in dem man eine Bluse umtauschen möchte, weil sie einem nicht gefällt.
    »Ihr seid also die Mädchen, für die ich Platz finden soll?«, nahm sie uns in Empfang. »Gut, dann kommt mal mit.« Sie wandte sich an Captain Killen und sagte: »Danke, Brian.« Er nickte und machte kehrt. Nervös gingen wir hinter Ms Hauff her. Sie teilte jede von uns einem eigenen Zelt zu, mich und Fi nebeneinander und Robyn ungefähr achtzig Meter weiter. In meinem Zelt lag bereits ein Schlafsack.
    »Also, es gibt hier sonst keine Mädchen in eurem Alter«, sagte Ms Hauff, während sie uns zu den Zelten brachte. »Dass ihr mir auf keine dummen Gedanken kommt. Ich habe selbst drei Töchter großgezogen und weiß Bescheid. Ihr werdet euch genauso ins Zeug legen wie alle anderen. Ihr verschwendet nur eure Zeit, wenn ihr meint eine Sonderbehandlung zu bekommen.«
    Die vielen Erwachsenen hatten mich befangen gemacht, weshalb ich nichts erwiderte. Ich kroch ins Zelt, schob meinen Rucksack vor mir her und öffnete den Reißverschluss. Ich wollte nur noch schlafen. Bevor ich meinen Schlafsack aus dem Rucksack zog und auf der rechten Seite ausbreitete, schob ich den anderen Schlafsack zur Seite. Ich stopfte ein paar Klamotten in ein Hemd, um ein Kissen zu machen, dann legte ich mich hin, langsam wie eine müde alte Frau, die unter Arthritis leidet. Eine Zeit lang war ich zu erschöpft, um zu denken. Durch die Seitenwände des Zelts schimmerte grünes Licht herein. Es dämmerte bereits und ich sah zu, wie sich das Licht rasch veränderte und dunkler und gedämpfter wurde. Als jemand draußen vorüberging, glitt ein großer und verzerrter Schatten über den Zeltstoff. Ich schrak davor zurück, denn sofort fiel mir der Schatten wieder ein, der sich an mich geheftet hatte, nachdem ich den Soldaten erschossen hatte. Während ich langsam ruhiger und entspannter wurde, fragte ich mich, woran ich eigentlich dachte, was ich fühlte. Es war Erleichterung, das vor allem. Es war mir einerlei, wie bescheuert diese Leute waren, wie unvernünftig und voreingenommen. Sie waren Erwachsene, das war die Hauptsache, denn von nun an würden sie sich den Kopf zerbrechen und die Entscheidungen treffen. Ich konnte das ihnen überlassen. Ich musste mich nicht mehr mit diesen furchtbaren Entscheidungen herumschlagen. Ich würde nur noch tun, was sie mir vorschrieben: ein braves Mädchen sein, den Mund halten, nichts mehr denken.
    Ich hatte die Augen geschlossen und genoss den langsamen Übergang in den Schlaf.
    Ich erwachte wieder, als jemand im Zelt neben mir herumkramte. Ich riss abrupt die Augen auf, eigentlich gegen meinen Willen. Es war zu dunkel, um etwas zu sehen; ich erkannte gerade die Umrisse einer Person und dass sie sich mit den im ganzen Zelt verstreuten Gegenständen herumschlug: den Schuhen, Waschbeuteln, meinem Rucksack.
    »Tut mir leid«, murmelte ich und griff verschlafen nach meinen Jeans, um sie aus dem Weg zu räumen.
    Sie blickte mich nicht einmal an, sondern sagte nur: »Du musst mehr Ordnung halten, wenn du in diesem Zelt bleiben willst.«
    »Tut mir leid«, sagte ich noch einmal. Dem Klang der Stimme nach war sie älter als ich und verärgert, aber ich wäre auch nicht gerade erfreut gewesen, hätte ich das auch so schon winzige Zelt auf einmal mit einer Fremden teilen müssen.
    Meine Augen gewöhnten sich langsam an die Dunkelheit und ich beobachtete sie. Sie brachte alles hübsch in Ordnung, dann zog sie ihre Jeans aus, legte sie sorgfältig zusammen und positionierte sie im Quadrat zu Füßen ihres Schlafsacks. ›Jesus‹, dachte ich. ›Ich werde mich ganz schön am Riemen reißen müssen.‹ In den Wochen ohne Mum war ich, was diese Dinge anlangte, ziemlich nachlässig geworden.
    Ich schlief wieder ein und erwachte, als der Morgen dämmerte. Obwohl es draußen bitterkalt war, beschloss ich gleich aufzustehen und zog mich rasch an, um möglichst viel Bettwärme in meinen Kleidern zu speichern. Während ich mich anzog, warf ich verstohlene Blicke auf die junge Frau neben mir. Im grauen Morgenlicht war es schwierig, ihre Gesichtszüge zu erkennen. Ihr rotes Haar ließ mich sofort an Corrie denken, aber davon abgesehen hatten sie keine Ähnlichkeit miteinander. Ich schätzte sie auf fünfundzwanzig, sie hatte einen kleinen schmalen Mund und sogar im Schlaf waren ihre Lippen fest aufeinandergepresst. Um ihre Augen waren Spuren von Wimperntusche zu sehen, das dachte ich wenigstens – vielleicht waren es aber auch nur dunkle Ringe.

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