Ein endloser Albtraum (German Edition)
gestürzt bist ...«
»Da hatte ich Angst. Aber wenn solche Dinge passieren, hat man keine Zeit, wirklich Angst zu haben.«
»Hmmmm.«
»Jedenfalls war ich selber schuld. Homer hat mir schon seine Hand entgegengestreckt und ich Idiot habe sie nicht genommen.«
»Deine Finger sahen so schlimm aus, als du oben warst.«
»Du hättest sie aus meiner Sicht sehen sollen.«
»Tun sie sehr weh?«
»Ein bisschen schon.«
»Ich wünschte mir so sehr, ich wäre mutig«, sagte Fi.
»Du bist mutig, Fi. Du weißt es nur nicht. Du hast schon so viel hinter dir. Und du hast uns nie im Stich gelassen, kein einziges Mal.«
»Diese Leute auf der Straße, Captain Killen und die anderen. Wir mussten zusehen, wie ein Dutzend Leute einfach umgebracht wurde. Ist dir das klar? Tot, getötet, ein Dutzend Leichen. Und Sharyn und Davina und Olive, die sind doch sicher auch tot. Bevor das alles angefangen hat, habe ich nie einen toten Menschen gesehen. Das Einzige waren tote Tiere auf den Straßen. Und unser Meerschweinchen im zweiten Schuljahr – es hieß Dschiepie. Als es starb, heulte ich einen ganzen Nachmittag. Jetzt scheint es außer dem Tod überhaupt nichts mehr zu geben.«
»Wo Chris wohl hin ist?«
»Ich verstehe das auch nicht.«
»Wusstest du, dass er oft getrunken hat?«
»Was heißt oft getrunken?«
»Na ja, wann immer er irgendwo Schnaps auftreiben konnte, brachte er ihn hierher und trank ihn dann ganz allein,
glaube ich.«
»So viel kann es nicht gewesen sein.«
»Hm, aber in der Nacht, als wir den Konvoi angriffen, war er ziemlich betrunken. Zumindest hatte ich den Eindruck. Und an dem Tag, als wir loszogen, hatte er um zehn Uhr vormittags auch schon getrunken.«
»Was willst du damit sagen?«
»Weiß nicht. Vielleicht nur, dass mir das nicht gefallen hat. Ich meine, dass er hinter unserem Rücken trank.«
»Soll das heißen, er ist ein Alkoholiker?«
»Nein, das nicht. Aber er hat vermutlich ein Problem damit. Und ich finde, er ist ein sonderbarer Mensch und wird immer sonderbarer. Wir kommen mit ihm nicht so gut zurecht wie miteinander. Findest du nicht, dass es immer schwieriger wird, mit ihm zu reden?«
»Ja, aber ich konnte noch nie mit ihm reden. In der Schule war er immer irgendwie hinüber.«
»Jedenfalls ist er ein interessanter Mensch. Und er schreibt so gut. Ich finde, er hat was Geniales an sich.«
»Das schon. Aber verstehen werde ich ihn nie.«
»Wenn du dir einen Menschen aussuchen könntest, den du hier haben möchtest, wen würdest du wollen?«
»Meine Mum.«
»Verwandte gelten nicht.«
»Na ja, Corrie und Kevin selbstverständlich.«
»Ja, aber davon abgesehen?«
»Alex Law, glaube ich.«
»Alex? Die ist doch falsch.«
»Nein, das stimmt nicht. Du hast dir einfach nie die Mühe gemacht, sie kennenzulernen.«
»Weil sie mich nicht mag.«
»Das stimmt überhaupt nicht. Du glaubst immer, dass dich kein Mensch mag.«
»Kein Mensch ist nicht richtig. Nur die Mädchen an der Schule nicht und die Jungs auch nicht. Und die Lehrer. Aber sonst ...«
»Mr Whitelaw mag dich also, hm?«
Mr Whitelaw war der Schulwart und er konnte mich wirklich nicht ausstehen, weil ich ihn einmal verpfiffen hatte, als er den Mädchen heimlich im Umkleideraum zusah. Er hatte damals Glück gehabt, nicht fristlos entlassen worden zu sein.
»Oh, den hab ich ganz vergessen.«
»Wen würdest du hier haben wollen?«
»Merriam.«
»Ja. Sie ist nett.«
Ich genoss diese Unterhaltung. Ich hatte das Gefühl, das erste normale Gespräch seit Ewigkeiten zu führen. Als wären wir für einen Moment in die Zeit vor der Invasion zurückgekehrt.
»Was hast du von Harveys Heroes gehalten?«
Fi überlegte kurz.
»Ein bisschen eigenartig waren sie schon. War Major Harvey vorher wirklich stellvertretender Direktor?«
»Angeblich schon.«
»Woher hatte er dann die Uniform?«
»Wer weiß. Vom Kostümverleih wahrscheinlich. Er war beim Reservedienst in der Armee, hat Olive gesagt, aber nicht als Major.«
»Olive mochte ich gern.«
»Ja, sie schien in Ordnung.«
»Und Sharyn?«
Ich überlegte. Ich musste daran denken, dass Sharyn wahrscheinlich tot war, weshalb es mir schwerfiel, zu sagen, was ich wirklich dachte.
»Sie war gar nicht so übel. Ich meine, als beste Freundin würde ich sie mir nicht aussuchen, aber irgendwann mochte ich sie dann doch. Auf eine gewisse Weise hing ich sogar von ihr ab.«
»Hmmm. War komisch, auf einmal wieder unter Erwachsenen zu sein. Gut, aber komisch.«
»So gut war es gar
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