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Ein endloser Albtraum (German Edition)

Ein endloser Albtraum (German Edition)

Titel: Ein endloser Albtraum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Marsden
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Corries Mum. Vor Schreck und Liebe rief ich: »Ms Macca!«
    Sie ließ den Schraubenzieher los, der scheppernd zu Boden fiel, und wirbelte mit aufgerissenem Mund herum, wodurch ihr Gesicht noch länger und schmaler aussah. Dann wurde sie leichenblass und griff sich an die Kehle.
    »Ellie!«
    Ich dachte kurz, sie würde vor Schreck in Ohnmacht fallen, doch dann lehnte sie sich rasch und schwer an die Werkbank, legte dabei ihre linke Hand auf die Stirn und bedeckte die Augen. Ich wollte zu ihr hin, aber ich wusste, dass ich das nicht durfte. Der Mann, der seinen Blick nach draußen auf die Laster gerichtet hatte, sagte rasch: »Bleib, wo du bist.« Ich fand das ärgerlich, weil ich das selbst kapiert hatte, erwiderte aber nichts. Ich hätte auch nicht so spontan rufen dürfen. Ms Mackenzie bückte sich, um den Schraubenzieher aufzuheben, benötigte dafür aber drei Anläufe und machte den Eindruck, als würde sie nicht richtig sehen. Dann richtete sie den Blick sehnsüchtig auf mich. Wir waren keine sechs Meter voneinander entfernt, es hätten jedoch genauso gut ein paar Hundert Kilometer sein können.
    »Corrie, geht es dir gut?«, fragte sie. Dass sie mich Corrie nannte und sich dessen nicht einmal bewusst zu sein schien, jagte mir einen Schreck ein. Aber ich versuchte möglichst unbefangen zu sein.
    »Uns geht es gut, Ms Mac«, flüsterte ich. »Wie geht es Ihnen?«
    »Oh, es geht so, es geht uns allen gut. Ich bin bloß dünner geworden, Ellie, aber ich will ja schon seit Jahren abnehmen.«
    »Wie geht es Corrie?« Da war sie wieder, diese fürchterliche Angst in meinem Herzen, aber ich musste fragen, und da mich Ms Mackenzie wieder Ellie genannt hatte, dachte ich, das wäre in Ordnung. Aber sie ließ lange mit der Antwort auf sich warten. Sie sah seltsam aus, als würde sie gleich einschlafen. Sie lehnte immer noch an der Werkbank.
    »Es geht ihr ganz gut, Ellie. Sie ist auch sehr dünn geworden. Wir warten immer noch darauf, dass sie aufwacht.«
    »Wie geht es meinen Eltern? Und allen anderen?«
    »Deine Eltern sind in guter Verfassung«, meldete sich der Mann zu Wort. Ich wusste immer noch nicht, wer er war. »Die letzten Wochen waren ziemlich schlimm, aber deinen Eltern geht es gut.«
    »Wieso? Was war schlimm?« Wir führten dieses Gespräch im Flüsterton und warfen immer wieder hastige Blicke in Richtung der Lastwagen.
    »Wir haben eine Menge Leute verloren.«
    »Was soll das heißen, ›verloren‹?« Ich hätte mich beinahe an der Frage verschluckt.
    »Da ist ein Neuer«, sagte der Mann.
    »Ich verstehe nicht.«
    »Sie haben jetzt einen Australier, der nicht aus der Stadt ist. So ein Kreidefresser. Er sucht ständig Leute aus, die zum Verhör gebracht werden, und wenn er mit ihnen fertig ist, werden viele von ihnen weggebracht.«
    »Wohin?«
    »Das wissen wir nicht. Sie sagen es uns nicht. Wir können nur beten, dass es nicht das Erschießungskommando ist.«
    »Wen sucht er aus?«
    »Zuerst waren es die, die in der Armee Reservedienst geleistet haben. Er kannte ihre Namen. Dann waren die Polizisten dran und Bert Heagney und ein paar von euren Lehrern. Jeder, der ein bisschen was von einem Anführer hat. Verstehst du? Er kennt nicht alle, aber viele. Er nimmt sich ungefähr fünf pro Tag vor und wir haben Glück, wenn drei von ihnen am Abend zurückkommen.«
    »Ich dachte, auf dem Messegelände hat es schon früher Informanten gegeben.«
    »Ja, aber nicht wie der da. Es gibt Leute, die sich lieb Kind bei denen machen, aber für so etwas würden sie sich nicht hergeben. Sie helfen nicht bei den Verhören. Nicht wie dieses Schwein.«
    Am Schluss war die Stimme des Mannes so zornig geworden, dass sie plötzlich viel lauter wurde. Ich duckte mich einen Moment lang in den Schatten, aber es kam niemand. Ich würde bald gehen müssen, aber ich wünschte mir so sehr, Ms Mackenzie würde noch etwas sagen. Sie wirkte so hager und müde und ausgelaugt. »Wie geht es Lees Familie?«, fragte ich sie. »Und Fis und Homers? Wie geht es Robyns Leuten?«
    Ms Mackenzie nickte bloß.
    »Es geht ihnen gut«, sagte der Mann.
    »Was müsst ihr hier machen?«
    »Alles vorbereiten. In den nächsten Tagen sollen die ersten Kolonisten hier einziehen. Ihr müsst euch jetzt in Acht nehmen. Die Arbeitstrupps sind schon überall. Wir rechnen in Kürze mit Hunderten Kolonisten.«
    Mir wurde schlecht. Sie kreisten uns langsam ein. Eines Tages würde vielleicht doch das Undenkbare eintreten, das Unfassbare: Sie wollten uns für den Rest

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