Ein endloser Albtraum (German Edition)
würden sie im Wirrawee Valley überall Häuser bauen, bis auf jeder Koppel eine Familie lebte und das Land bewirtschaftete. Ich wusste nicht, ob der Boden das vertragen würde. Andererseits: Vielleicht hatten wir ihn nicht ausreichend genutzt.
Wir gingen weiter, jeder mit den eigenen Gedanken, Vermutungen und Träumen beschäftigt. Es war nach Mitternacht, als wir beim Haus von Chris ankamen. Obwohl keine Lichter an waren, bewegten wir uns mit äußerster Vorsicht, für den Fall, dass wir auf schlafende Kolonisten stießen. Da mir dieses Herumgeschleiche inzwischen zum Hals raushing und mir eingefallen war, wie der Regen auf das Wellblechdach der Holzhütte geprasselt war, schlug ich den anderen vor: »Werfen wir Steine aufs Dach.« Sie sahen mich bloß mitleidig an, aber ich war in einer gefährlichen Stimmung; ich hatte es satt, mich immerzu zu verstecken und wegzurennen und geduckt durch die Gegend zu hasten. »Ich meine es ernst«, sagte ich. »Was soll schon sein? Wenn jemand da ist, werden sie nicht mit gezückter Waffe in die Nacht hinausrennen. So blöd sind die nicht. Rundherum ist jede Menge Deckung, wenn es sein muss, können wir sofort verschwinden.«
Meine Überzeugungskraft war größer, als ich gedacht hatte, denn sie waren sofort einverstanden. Eigentlich hatte ich das gar nicht beabsichtigt – ich hatte den Vorschlag halb im Scherz gemacht –, aber jetzt einen Rückzieher zu machen wäre einem hochgradigen Gesichtsverlust gleichgekommen. Also bückte ich mich und hob so viele Steine auf, wie ich tragen konnte. Wir vereinbarten einen Treffpunkt für den Fall, dass wir verfolgt wurden, und verteilten uns rund um das Haus. Als das Signal kam – ein langes und beängstigend lautes »Coooeee« von Homer –, pfefferte ich los. Es war überwältigend. Nicht einmal eine Schwadron Opossums, die in Fußballschuhen und mit Höchstgeschwindigkeit kaputte Einkaufswagen über das Dach schiebt, hätte so viel Krach machen können. Als ich mich gleich darauf zurückzog und mir vor Erstaunen auf die Unterlippe biss, hätte ich sie mir beinahe abgebissen, denn ich stolperte über einen Gartensessel und fiel der Länge nach hin. Meine Schienbeine und Knöchel wurden bei diesen nächtlichen Ausflügen wirklich nicht geschont. Plötzlich, nach einer Minute Stille, schepperte ein einsamer Stein wie ein unerwartetes Nachbeben über das Dach. Im Haus konnte niemand sein, denn es regte sich immer noch nichts.
Wir versammelten uns wieder in der Nähe der Eingangstür, und nachdem Homer gestanden hatte, dass er den letzten Stein geworfen hatte, wurde beschlossen, dass er zum Fenster gehen und hineinschauen sollte. »Viel zu dunkel, um was zu sehen«, murmelte er; dann, nachdem er genauer geschaut hatte, meinte er: »Ich glaube, es ist noch genauso wie damals, als wir die Nachricht für Chris dagelassen haben. Sieht nicht so aus, als wäre jemand hier gewesen.«
Und so war es auch. Es war eine entmutigende Entdeckung. Wir überprüften den alten Schweinestall, wo Chris sich zum Zeitpunkt der Invasion versteckt hatte, aber auch dort war kein Lebenszeichen zu finden. Schließlich saßen wir am staubigen Tisch in der muffigen Küche, müde und unglücklich. Von der Spannung und Aufregung, die wir soeben noch gespürt hatten, als wir die Steine auf das Dach schleuderten, war nichts mehr übrig. Wir machten uns solche Sorgen um Chris und waren im Grunde völlig hilflos. Die Frage, wo er sein mochte, war deprimierend. Ich ärgerte mich, weil ich nicht daran gedacht hatte, Ms Mackenzie und den Mann im Geräteschuppen zu fragen, ob sie irgendetwas wussten. Dafür war ich viel zu durcheinander und nervös gewesen. Robyn tröstete mich ein wenig. Sie meinte, wenn sie Chris erwischt und zum Messegelände gebracht hätten, hätten die beiden Erwachsenen das sicher erwähnt.
»Na ja, keine Nachricht ist eine gute Nachricht«, seufzte Fi.
»Ehrlich, Fi«, fuhr ich sie an, »das ist ja eine tolle Hilfe. Das ist eine der blödesten Redensarten, die je erfunden wurden.«
Fi wirkte verletzt. Es war nach ein Uhr nachts, wir waren alle müde und zitterten vor Kälte.
»Wir können sonst nichts tun«, sagte Homer. »Um ehrlich zu sein, das Wahrscheinlichste ist, dass er ... dass er tot ist.«
Auf einmal war der Teufel los. Jeder schrie wutentbrannt auf Homer ein. Natürlich hatten wir an diese Möglichkeit gedacht, aber sie auszusprechen war obszön, ekelhaft. Zu hören, wie es jemand laut sagte, jagte uns zu viel Angst und Schrecken
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