Ein endloser Albtraum (German Edition)
Kleidern zuzusehen, wie sie kluge und romantische Dinge zueinander sagten. Ich vermutete, dass anderswo immer noch solche Filme gemacht und gezeigt wurden, aber inzwischen war das kaum noch begreiflich.
Wir ließen den Stadtrand von Wirrawee hinter uns und gelangten auf die Meldon Marsh Road. Inzwischen war es zehn Uhr vorbei und nun musste die Straße eigentlich sicher sein. Auf dem Asphalt zu gehen erleichterte den Marsch und wir kamen gut voran. Als wir nur noch zwei Kilometer vom Haus der Langs entfernt waren, sahen wir ein Haus, in dem Licht brannte. Wir hatten schon so lange kein Farmhaus mehr gesehen, das an den elektrischen Strom angeschlossen war, dass uns der Schock in alle Glieder fuhr. Wir blieben stehen und starrten schweigend hin. Es war kein erfreulicher Anblick. Eigentlich hätte er beruhigend sein sollen, denn er erinnerte an die alten Zeiten, doch unser Leben war anders geworden. Wir hatten uns daran gewöhnt, wie Tiere in der Wildnis zu leben und im Schutz der Dunkelheit durch den Busch zu streifen. Wenn die Kolonisten die Farmen übernahmen und das Land mit ihren Lichtern und ihrem elektrischen Strom und ihren eigenen Lebensformen immer mehr für sich beanspruchten, würden sie uns weiter und weiter an den Rand drängen und eines Tages zwingen uns im Schutz der Höhlen und Erdlöcher zwischen den Felsen zu verbergen.
Keiner hatte ein Wort gesagt, dennoch gingen wir in stillschweigender Übereinstimmung auf das Haus zu. Wir hatten uns in menschliche Nachtfalter verwandelt. Ich kannte das Haus nicht, aber es schien ein gemütlicher, solider Ziegelbau mit großen Fenstern und mindestens drei Kaminen zu sein. Rundherum waren Schatten spendende Bäume gepflanzt und davor erstreckte sich ein gepflegter Vorgarten, der von einer niedrigen Ziegelumrandung umgeben war und wie eine geometrische Zeichnung aussah. Ich wäre beinahe über sie gestürzt; als ich gegen den Ziegel stieß, spürte ich zum ersten Mal seit Tagen wieder einen stechenden Schmerz im Knie. Zum Glück verlor ich nicht ganz das Gleichgewicht und mein Knie schien in Ordnung zu sein. Als ich die anderen einholte, drängten sie sich alle hinter einen Baum und hielten den Blick gebannt auf eines der erleuchteten Fenster gerichtet. ›Schlechte Strategie‹, dachte ich. Ein einzelner Soldat könnte sie mit seinem Maschinengewehr in nicht einmal einer Sekunde niedermähen. Als ich sie flüsternd darauf aufmerksam machte, sahen sie mich erschrocken an, verstreuten sich aber sofort im Schutz der anderen Bäume.
Ich ging um die Ostseite des Hauses herum und stieß auf einen Pfefferbaum, in dessen Stamm schmale Holzleisten genagelt waren: die Stufen zu einem Baumhaus – dem Schlupfloch irgendeines Kindes. Ich erklomm die Leiter, setzte mich in die erste Baumgabel und hatte von dort eine Sicht in die Küche wie vom ersten Rang im Theater. Voller Ingrimm beobachtete ich drei Frauen, die in der Küche beschäftigt waren. Sie schienen sich ziemlich heimisch zu fühlen. Offenbar waren sie dabei, alles umzuräumen, denn die Gläser, Teller, Pfannen und Dosen aus den Küchenschränken waren auf dem Tisch und den Sitzbänken verstreut. Die Frauen wischten jeden Gegenstand einzeln ab und räumten ihn weg, hielten ab und zu inne, um sich etwas genauer anzusehen oder die anderen darauf aufmerksam zu machen. Ein Öffner mit orangefarbenen Plastikgriffen, mit dem man die Deckel von Einmachgläsern abnimmt, schien sie zu faszinieren. Sie steckten ihre Finger durch das Loch in der Mitte und winkten sich auf diese Weise zu, dann versuchten sie sich damit gegenseitig die Nasen abzuschrauben. Sie lachten in einem fort. Ihre Stimmen konnte ich gerade noch hören; schwache, hohe Töne, die beinahe nasal klangen. Sie hatten eine Menge Spaß und sie wirkten glücklich und aufgekratzt.
In mir rief das Bild eine Mischung aus Neid, Wut, Angst und Depression hervor. Ich konnte nicht länger hinschauen, es war nicht auszuhalten. Ich kletterte wieder hinunter und machte mich auf die Suche nach den anderen. Dann stahlen wir uns durch den Garten davon und zurück auf die Straße.
Während wir weitergingen, verglichen wir unsere Beobachtungen und kamen zu dem Schluss, dass in dem Haus mindestens acht Erwachsene untergebracht sein mussten. Ich hatte gedacht, sie würden auf jeder Farm nur eine Familie ansiedeln; vielleicht dachten sie aber auch, dass es die reinste Verschwendung war, so viel Land auf so wenige Menschen aufzuteilen, wie wir das getan hatten. Vielleicht
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