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Ein Engel an Güte (German Edition)

Ein Engel an Güte (German Edition)

Titel: Ein Engel an Güte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ippolito Nievo
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nach meinem Tod mit dem Segen Gottes heiraten möget, auf dass mein Name von euch und euren Kindern gesegnet werde! Nun, werdet jetzt bloß nicht sentimental! Was hilft das Weinen? Wir haben von anderen und wichtigeren Dingen zu reden, und Tränen sind dafür ein denkbar schlechter Auftakt.»
    Der Cavaliere richtete sich auf und sah dem Inquisitor fest in die Augen, die in jugendlichem Feuer glühten.
    « Hör zu», begann dieser und ergriff des Jünglings Hand.«Seit vierzig Jahren regiere ich nun diese Republik, ohne dass es so erscheint. Wie sehr ich mein Vaterland liebe, das weiß Gott allein; du aber kannst es ermessen, weil du dich nicht unter den großen Haufen von Laffen und Hasenfüßen mengst. Schon seit dem Ende des Morea-Kriegs und dem Frieden von 1718 sah ich leider voraus, wohin die Dinge liefen. Nachdem die letzten Illusionen bezüglich einer Vormachtstellung im Orient begraben werden mussten, waren die Traditionen der Republik gekappt; sie war ihrer Seele verlustig gegangen, und übrig blieb bloß ein Leichnam, den man bestenfalls einbalsamieren konnte. So stand es um uns nach dem Abkommen von Passarowitz 125 und heute mehr denn je. Nun kannst du dir vorstellen, wie groß meine Liebe zu diesem Phantom von einem Vaterland sein musste, dass ich all mein Denken und Trachten darauf verschwendete, nicht, sein Leben zu verlängern, das war schon damals am Ende, sondern bloß den Verwesungsprozess vor den Augen der anderen Nationen verborgen zu halten.»
    In einer Geste brachte Celio Überraschung und Verzweiflung zum Ausdruck.
    « Ja, so tief sind wir gesunken!», fuhr Formiani leidenschaftlich fort.«Vor zwei Monaten, als ich dem Senat die bewaffnete Neutralität aufzwang, war Venedig noch einmal gerettet; und obwohl das nur eine Formel ist, hat sie doch einen so mächtigen Klang, dass sie Venedig schützt. Aber hör zu, Celio, hör zu! Drei Monate lang habe ich dieses Jahr geredet und dem Senat nur mit Mühe dieses Zugeständnis abgerungen; aber bestimmt wird der Tag kommen, da der Senat nicht mehr den Mut besitzt, sich dieser Formel zu bedienen, und dann, sage ich dir, dann wird Venedig fallen!»
    « O nein, bei Gott, nein!», rief Celio.«Wenn es fällt, so, um verjüngt und mit neuer Kraft wieder aufzuerstehen.»
    « Du bist ein Kind!», entgegnete Formiani kopfschüttelnd.« Fällt es durch Gewalt, gerät es in Knechtschaft; fällt es durch Verrat, gerät es ebenso in Knechtschaft ...! Die Zeit drängt... Diese Bewegung im Untergrund, auf die du deine Hoffnung setzt, hat ihr Werk gerade erst begonnen, und vielleicht wird sie den endgültigen Zusammenbruch beschleunigen, ohne ihn rühmlicher zu machen oder Mitleid zu wecken. Glaub mir, Verschwörungen oder mystische Sekten nützen nichts, wo die Gesellschaft in ihrem heiligsten Fundament, in der Familie, morsch geworden ist!»
    « Und da ist kein Mann, der diesen Untergang aufhalten könnte?»
    « Keiner», antwortete der Inquisitor düster.«Ich selbst, so anmaßend ich bin, hielt mich der Aufgabe nicht für gewachsen. Unter denen, die bleiben, sehe ich keinen, der stark und beherzt genug wäre, erhobenen Hauptes den Thron des Dogen zu besteigen und sämtliche Kräfte des Staates in einer Hand zu bündeln... Aber was rede ich da von Kräften...? Diese Kräfte müssen erst ins Leben gerufen werden, und dazu bedarf es leider des Einzigen, woran Mangel herrscht, nämlich Zeit. Mein Neffe hegte diesen Ehrgeiz, sich die Dogenkappe aufzusetzen, und Graf Carmini ebenso. Beide sind aus dem Rennen geschlagen, und so ist das Feld nun frei für Marco Foscarini 126 , einen Mann von großem Geist und noch größerem Herzen, würdig zumindest, dem Begräbnis der einstigen Königin der Meere beizuwohnen.»
    « Und gibt es denn keine Rettung? Ist das Eure feste Überzeugung? Sollte es wirklich kein Mittel geben?», fragte Celio, ganz von Kühnheit und Glauben beseelt.
    Formiani dachte ein Weilchen nach, und in seinen Augen schien sich etwas von der Glut zu spiegeln, die aus Celios Blicken sprühte; doch der Widerschein erlosch, und mit schwächerer Stimme als zuvor antwortete er:«Kein Mittel! Und dies wollte ich dir sagen, bevor ich sterbe, denn sollte sich über dem Grab dieser unserer Republik eine Stimme erheben, die sie verfluchen und ihr Andenken schmähen will, sollst du entgegnen können, dass es da einen Mann gegeben hat, einen Mann von Herz, der alles gesehen und alles vorhergesehen hat, und doch...? Und doch wie jedermann sein Haupt unter den Willen Gottes

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