Ein Engel an Güte (German Edition)
später von der Frau Gräfin gefunden, als sie das Haus verließ und in die Kutsche steigen wollte. Kaum mehr atmend, wurde er hineingetragen, erst nach etlichen Aderlässen kehrte sein Bewusstsein wieder und damit die Erinnerung an das Vorgefallene sowie eine völlig neue Raserei: den Tramontino in die Finger zu bekommen; weshalb er noch mit halb erstickter Stimme sämtlichen Waffenknechten befahl, auf den schnellsten Pferden die Straße nach Cornuda zu nehmen, wohin er seiner Ansicht nach geflohen sein musste, ihn tot oder lebendig gefangen zu nehmen und lebendig oder tot zu Statuierung eines abschreckenden Exempels herbeizuschaffen. Spornstreichs sprengte der Reitertrupp los nach Cornuda, und von einem Kastaniengehölz aus, wo er sich verborgen gehalten hatte, sah Tramontino die Männer in einer Staubwolke heranjagen. Von der Stelle aus, wo er sich befand, stürzte ein Abhang zwanzig Ellen tief zur Straße hin ab, und gute zwei Meilen weit gab es keine Möglichkeit hinaufzugelangen. Hinter ihm erstreckte sich der Wald – selbst wenn es den Geschicktesten unter ihnen gelungen wäre, den Abhang zu erklimmen, sie hätten ihn doch nicht erwischt, da er hier mit sämtlichen Schleichwegen und den geheimsten Schlupfwinkeln vertraut war. Er trat daher unbesorgt vor bis an den Rand des Abhangs und fragte mit dröhnender Stimme, ob sie etwa die Seele ihres Herrn suchten. Auf der Stelle hielten die Reiter inne in ihrem wilden Lauf, wandten sich nach der Stimme um, und Tramontino wiederholte seine Frage in höhnischem Ton.
« Der Graf ist am Leben und wohlauf!», antwortete der, welcher der Anführer zu sein schien.« Und er schickt dir dies!»
Tramontino sah, wie fünf Musketen sich auf ihn richteten, und hatte kaum noch Zeit, den Kopf hinter dem Felsen zu bergen, als auch schon fünf Kugeln über ihn hinwegpfiffen.«Ah, die Hunde, die Verräter», murmelte er. Mit unglaublicher Behendigkeit trat er auf allen Vieren den Rückzug an und richtete sich erst hinter den ersten Bäumen wieder auf.
Bis dahin gelangten die Kugeln nicht, doch sehr wohl gelangte der mächtige Schall seiner Stimme ans Ohr dieser Schergen, als er rief:«Wenn euer Herr nicht in der Hölle ist, meine Herren Christenschlächter, so richtet ihm aus, dass ich mich in die Gefangenschaft der Signoria begebe und dass er es mit ihr und mit mir zu tun bekommen wird. Ich kenn’ mich da aus. Gute Nacht!»
Zwei Stunden später stellte er sich freiwillig dem Podestà von Asolo, und als die Edeldame Cecilia hörte, er habe hochwichtige Eröffnungen bezüglich des Grafen Carmini zu machen, nahm sie dies trotz der vorgerückten Stunde sogleich zu Protokoll. Man denke sich nur, wie selig die Signora war, als sie ihre Verdächtigungen durch beeidete Aussage bestätigt fand; außerdem, dass der Graf schon seit vielen Jahren unter den Holzfällern von Mantello das Gerücht streute, es werde im Land zu einem Aufstand kommen, und ihnen tausend Zechinen in Gold versprach, wenn sie ihm halfen, diesen zu seinen Gunsten zu wenden. Dass ein Aufstand der Signoria nicht zum Vorteil gereichen würde, war nicht nur überflüssig zu beweisen, sondern wurde durch die Heimlichkeit der Intrige sowie durch die Tatsache zur Evidenz gebracht, dass er sich seine Parteigänger unter den Holzfällern von Mantello suchte, die, seitdem ihnen unlängst verboten worden war, wie seit jeher Brauch im Wald, nach eigenem Gutdünken Holz zu schlagen, einen gewissen Groll auf San Marco hegten. Tramontino wurde also festgehalten, aber nicht als Verbrecher, sondern als äußerst gern gesehener Gast, mit den besten Leckerbissen gefüttert und im luftigsten Zimmer des Amtsgebäudes untergebracht; vor dessen Tür stand einfach so, bloß um ihm Gesellschaft zu leisten und nichts weiter, der umgänglichste Kerl unter den Sbirren, ein ehemaliger Holzfäller und vor Jahren sein engster Freund, dann im Dienst des Carmini, später von diesem als Dieb entlassen und daher schließlich, wie es die gute Ordnung wollte, als Diebshäscher von Signora Cecilia in Sold genommen.
Der Prozess wurde eröffnet, aber nicht, wie Kriminalisten vermuten würden, wegen Tramontinos letztem Vergehen, sondern wegen dem, was Carmini zur Last gelegt wurde; daher sah man, seltsam genug, den Kläger im Gefängnis und den Angeklagten auf freiem Fuß. Frei war er, aber nicht durch den Willen der Signora, sondern weil der Bote, der ihm die Vorladung überbringen sollte, mit der Antwort zurückkehrte, der Graf halte sich seit mehreren
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