Ein Engel an Güte (German Edition)
Magistratsbeamten an sich schon zur Genüge zu beleuchten scheint. Sie lebten damals in Muggia. Als Signora Cecilia zum ersten Mal die Treppe zur Podesteria hinaufstieg, traf sie in der Mitte derselben den Gerichtsschreiber Chirichillo, der auf einen Stuhl geklettert war und ein leckeres Stück Rindfleisch, zwei fette Kapaune und ein Stück Wild an einem Haken aufhängte. Der Gerichtsschreiber war so sehr davon in Anspruch genommen, diese guten Dinge malerisch zu drapieren, dass er das Heraufkommen der Signora gar nicht bemerkte und in seiner Arbeit fortfuhr, bemüht, dem Ganzen ein gefälliges Aussehen und der Befestigung sicheren Halt zu geben.«Was macht Ihr denn da?», schrie Signora Cecilia und wäre beinah mit dem Kopf gegen den Kamm des Kapauns gestoßen, der am tiefsten herunterhing.
Chirichillo ließ den Blick von seiner künstlerischen Bühne nach unten wandern, zog den Hut und antwortete ganz selbstverständlich, er tue, was er auf Befehl des Podestà auch sonst jede Woche am Gerichtstag zu tun pflege.
« Und was will dieser Dummkopf damit?», erwiderte die Signora erbost und verfing sich mit ihrem Toupet im Kamm des Kapauns.
« Geben Sie acht, geben Sie acht», schrie Chirichillo,« Sie ruinieren mir ja mein ganzes Werk!»
« Was kümmert mich das?», antwortete sie und ging derart heftig auf den Gerichtsschreiber los, als wolle sie ihn von diesem Stuhl und die Treppe hinunterstoßen.«Ich frage Euch, was mein Herr Gemahl mit dieser Geflügelausstellung bezweckt? »
« Sehen Sie, das ist so», antwortete Chirichillo,« die Leute hier sind an gewisse Beamte gewöhnt... ähm, ich weiß nicht, ob Sie mich verstehen...! Für ein kleines Präsent, mit Anstand überreicht, lassen sie die Gerechtigkeit Gerechtigkeit sein; und da ist es gut, die Leute darauf aufmerksam zu machen, dass der Herr Podestà mit Fleisch und allen Gottesgaben versehen ist und keiner Präsente bedarf, um üppig zu speisen!»
« O du Hundsfott, du und deine Präsente!», schrie die Signora voller Wut. Und indem sie sich wohl mehr hinreißen ließ als beabsichtigt, versetzte sie dem Stuhl einen Stoß, sodass er die Beine in die Luft streckte, Chirichillo desgleichen, woraufhin er mit sämtlichen Körperteilen außer den Fußsohlen die zehn unteren Treppenstufen vermaß.
Unten angekommen, erhob er sich wunderbarerweise unverletzt, hinkte allerdings auf einem Fuß. Signora Cecilia, die glaubte, ihn getötet zu haben, eilte ganz entsetzt zu ihm hinunter und befühlte und beschaute ihn überall, um zu sehen, ob er sich auch nichts gebrochen habe.«Ach, du Ärmster!», sagte sie.«Wohin die Wut einen treiben kann! Beinah hätte ich diesen Ehrenmann hier umgebracht! Ach herrje, ich Ärmste, wenn ich mich nicht bessere!»
Indessen waren auf den Lärm hin die Personen, die in ihren Angelegenheiten gekommen waren, sowie die Leute aus der Kanzlei zusammengelaufen und scharten sich um die beiden; davon unbeeindruckt fuhr die Edeldame unbeirrt in ihrer wundärztlichen Untersuchung fort.«Versuch einmal zu laufen!», sagte sie in liebevoller Besorgnis zu dem Gerichtsschreiber.
Der tat zwei Schritte, aber der verstauchte Fuß gab nach, und wäre nicht die Signora zur Stelle gewesen, ihn zu stützen, hätte er einen zweiten Purzelbaum geschlagen.
« Komm, du wirst dich ins Bett legen müssen, du Armer!», sagte die Signora. Sie nahm ihn am Arm und schleppte ihn ungeachtet seiner zaghaften Einwände die Treppe hinauf, durch diese Schar von Leuten hindurch, die sich flüsternd fragten, was denn passiert sei und was das alles zu bedeuten habe.
Die Nächstenliebe und die Reue der Edeldame machten hier aber nicht halt; in den zwanzig Tagen, die Chirichillos Genesung dauerte, wollte sie allein seine Pflege übernehmen; von eigener Hand wechselte sie die Breiumschläge und Zugpflaster und bat ihn tausendmal am Tag um Verzeihung für diesen Wutanfall. Auf diese Weise schlossen sie Frieden, aber von der Geflügelschau am Gerichtstag war fortan nicht mehr die Rede.
Der unter die Vormundschaft seiner Frau geratene Podestà schaute, staunte, becherte, schlief und überließ es ihr, Prozessprotokolle, Dekrete und Urteile zu verfassen, die Kanzlei zu führen, Verbrecher zu verhören, Händel zu schlichten, Disziplinarmaßnahmen über untergeordnete Beamte oder Sbirren zu verhängen und sogar, den Gemeinderat zu leiten. Signora Cecilia verrichtete all diese Dinge mit dem Feuereifer, dessen ein herrschsüchtiges Weib fähig ist. Der Einzige, der diese
Weitere Kostenlose Bücher