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Ein Engel an meiner Tafel - eine Autobiographie

Ein Engel an meiner Tafel - eine Autobiographie

Titel: Ein Engel an meiner Tafel - eine Autobiographie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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die vieler anderer in Neuseeland hineintrugen. Diese Ereignisse waren die Publikation von
Jenseits der Palisaden
, Gedichten von James K. Baxter, einem jungen Studenten an der Universität, des Bandes
Neuseeländische Versdichtung
, herausgegeben von Allen Curnow, und einer Sammlung von Kurzgeschichten mit dem Titel
Für uns selbst gesprochen
,herausgegeben von Frank Sargeson. Als Kind hatte ich die neuseeländische Literatur als Domäne meiner Mutter betrachtet, und wenn ich mich danach sehnte, dass mein vertrautes Umfeld – der Hügel, die Kiefernwäldchen, Eden Street 56, Oamaru, die Küste und das Meer – zu fantasievollem Leben erwachte, blieb mir nur, es mit Gestalten und Träumen aus der dichterischen Welt einer anderen Hemisphäre und mit meinen eigenen Vorstellungen zu bevölkern. Der Begriff der neuseeländischen Literatur existierte, doch ich zog es vor, sie nicht zur Kenntnis zu nehmen, ja, ich war mir ihrer kaum bewusst. Nur wenige Leute sprachen von ihr, so als wäre sie eine unanständige Krankheit. Lediglich in der Buchhandlung der Moderne auf dem Moray Place standen drei Regale mit schmalen neuseeländischen Bändchen, in kleinen Verlagen erschienen, und ich hatte sogar einige davon gekauft und ohne Erfolg versucht, solche Gedichte zu schreiben. James Baxters Gedichte, die weltweit Zuspruch fanden, schüchterten mich auch ein. Die Anthologien aber waren anders: Ihre Kraft und Vielfalt gaben mir Hoffnung für mein eigenes Schreiben und weckten in mir ein Bewusstsein für Neuseeland als einen Ort von Schriftstellern, die verstanden, wie ich empfunden hatte, als ich J. C. Squire importierte, um meine geliebten Flüsse auf der Südinsel zu beschreiben, und obwohl ich das Gedicht immer wieder las, musste ich mich mit dem Kongo, dem Nil, dem Colorado, dem Niger, dem Indus und dem Sambesi zufriedengeben: schöne Namen, aber aus einer anderen Welt.
    Doch hier, in der Anthologie neuseeländischer Versdichtung (sie besaßen noch nicht den Mut, es
Lyrik
zu nennen), konnte ich in Allen Curnows Gedichten von Canterbury und der Ebene lesen, von «Staub und Ferne», davon, dass unser Land seinen Anteil an der Zeit besaß und es nicht nötig hatte,sich etwas aus einer shakespeareschen Brieftasche des Nordens zu borgen. Ich konnte auch über die Vergangenheit lesen, über Mängel und Gegenstände, die nur wir kannten, und über Materialien, tief bewegend in ihrem einzigartigen Einfluss auf unser Leben: Das Gedicht «Wildes Eisen» liest sich für mich wie ein Teil einer Geschichte Neuseelands und seiner Menschen.
    Und Denis Glover, der die Namen unserer eigenen Flüsse und Orte verwendete und sogar über die Elstern schrieb und ihre Rufe an einem nebligen Herbstmorgen vollendet wiedergab. Jeder Lyriker, jede Lyrikerin sprach auf seine oder ihre eigene Weise, an seinem oder ihrem eigenen Ort, und es gab Charles Brasch, der sich dem Meer anvertraute, so, wie ich mich ohne Worte dem Clutha avertraut hatte: «Sprich für uns, großes Meer.»
    Auch die Kurzgeschichten überwältigten mich durch ihre Vertrautheit. Es war fast ein Gefühl, als wäre man ein Waisenkind gewesen, das herausfindet, dass seine Eltern am Leben sind und im begehrenswertesten aller Häuser wohnen – in den Seiten von Prosa und Lyrik.
    Die Zeit verleiht ungeahnte Rechte zu ihrer Bearbeitung und Neubearbeitung, bis sie zur vergangenen Zeit wird. Ich habe über meine Erinnerung an veröffentlichte Kurzgeschichten und Gedichte geschrieben. In der eigentlichen Erinnerung sitze ich da und rede mit zwei Mädchen aus der Erziehungsanstalt, auf dem Weg ins Seacliff-Krankenhaus, in das ich zwangseingewiesen worden bin.

10
1945: Vier
    Die sechs Wochen, die ich im Seacliff-Krankenhaus verbrachte, in einer Welt, die ich nie gekannt, und unter Menschen, deren Existenz ich nie für möglich gehalten hatte, wurden für mich zu einem Intensivkurs über die Schrecken des Wahnsinns und den Aufenthaltsort derer, die als wahnsinnig beurteilt worden sind, und schnitten mich für immer von den früher vertretbaren Gegebenheiten und Sicherheiten des täglichen Lebens ab. Vom ersten Augenblick an wusste ich, dass ich weder in mein normales Leben zurückkehren noch vergessen konnte, was ich in Seacliff sah. Ich hatte das Gefühl, dass mein Leben völlig aus den Angeln gehoben wurde durch diese plötzliche Spaltung der Menschheit in «normale» Leute auf der Straße und in diese «verborgenen» Menschen, die nur wenige gesehen und mit denen nur wenige gesprochen hatten,

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