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Ein Engel an meiner Tafel - eine Autobiographie

Ein Engel an meiner Tafel - eine Autobiographie

Titel: Ein Engel an meiner Tafel - eine Autobiographie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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wenig hinlegen?»
    Ohnehin schon ängstlich, bewegte ich mich in Richtung Tür und sagte spröde, bereit zur Flucht: «Nein, danke.»
    «Robin Hyde hat sich immer hingelegt. Sie humpelte herein und warf sich gleich aufs Bett.»
    «Ach wirklich?»
    «Haben Sie ihre Bücher gelesen?»
    «Ich habe davon gehört», sagte ich. «Ich kenne ein paar ihrer Gedichte.»
    Ich sagte nicht, dass ich einen Essay gelesen hatte, in welchem ihr letzter Roman als «Fantasie ohne Ballast» bezeichnet wurde; der Satz hatte sich mir eingeprägt als ein Beispiel, was von Kritikern zu erwarten war, wenn man einen Roman schrieb. Was sollte das heißen? Brauchte die Fantasie Ballast? Ich interessierte mich für dieses Territorium, denn obgleich ich keine persönliche Erfahrung mit dem Reich ungebändigter Fantasie hatte, so hatte ich doch Menschen gekannt, für die die Fantasie an sich ein Ballast war. Sie waren dann frei, aber nirgendwo.
    Dann begann Mr Sargeson über mein Buch
Die Lagune und andere Erzählungen
zu sprechen, während ich voll Unbehagen zuhörte. Ich hatte seine Entscheidung, «Der Tag des Schafes» für die Oxford-Anthologie auszuwählen, nicht gut gefunden.
    «Haben Sie ein Exemplar der Oxford-Anthologie?», fragte er. Ich hatte keines. Unverzüglich holte er sein eigenes Exemplar, signierte es und schenkte es mir.
    Dann fragte er mich, wie es mit meiner zukünftigen Arbeit stehe.
    «Ich weiß nicht», sagte ich vorsichtig.
    «Haben Sie sich überlegt, ob Sie hierherkommen und in der Hütte arbeiten wollen? Sie könnten ungehindert schreiben. Es bringt nichts, wenn Sie in der Vorstadt wohnen, zwischen den Windeln bei den Bourgeois.»
    Seit dem Geschichtsunterricht über die Französische Revolution hatte ich das Wort «Bourgeois» nicht mehr gehört, und ich war nicht sicher, ob ich seine moderne Bedeutung verstand.
    «Aber ich muss mir Arbeit suchen», sagte ich.
    «Warum denn? Sie sind Schriftstellerin.»
    Ich lächelte erstaunt: «Bin ich das? Sie haben es abgelehnt, mir Krankengeld zu zahlen.»
    Mr Sargeson sah wütend aus. «Nach all den Jahren im Krankenhaus? Hören Sie, ich habe einen guten Freund, einen Arzt, der Verständnis hat und Ihnen wahrscheinlich eine Beihilfe verschaffen kann, während Sie an Ihren Texten arbeiten.»
    «Wirklich?»
    Ich fühlte mich überwältigt und schüchtern und beschützt. Ich nahm sein Angebot an, in der Baracke zu wohnen und zu arbeiten, unter der Bedingung, dass er mir gestattete, wöchentlichfür meine Unterkunft und Verpflegung zu bezahlen. Obwohl er zunächst protestierte, war er schließlich mit einem Pfund pro Woche einverstanden. Sein eigenes Einkommen war niedrig. Die erste Welle des Interesses, das seine Arbeit nach der Publikation hervorgerufen hatte, war abgeebbt, und er hatte das Stadium erreicht, wo er Geld dringend benötigte, denn seine Bücher waren vergriffen.
    An diesem Nachmittag waren wir beide nervös. Bevor ich ging, sagte ich, June und Wilson würden mich am Wochenende mit meinen «Sachen» herbringen – zwei Koffern mit Kleidung und Büchern und meiner Remington-Schreibmaschine aus der Zeit im Grand Hotel. Ich hatte das Gefühl, Mr Sargesons Angebot würde mir vielleicht das Leben retten. Meine Zukunft sah bereits düster aus, da ich in einer Familie lebte und mich dennoch fehl am Platz fühlte, überzählig – meine Schwester und ihr Mann und ihre Familie erschienen mir wie Fremde. Meine Empfindlichkeit, was meinen «Platz» oder das Fehlen dieses Platzes und die behördlichen Entscheidungen über mich betraf, war damals extrem groß, und meine Selbstsicherheit wurde täglich durch die neugierigen Fragen der Kinder erschüttert – Wer ich sei? Warum ich nicht in meinem eigenen Haus wohnte? Wo meine Kinder waren? Und warum ich nicht mit ihnen gemeinsam aß? Die Erfahrungen in der Anstalt, als ich einmal an den Haaren zum Tisch gezerrt worden war, obwohl ich große Angst davor hatte, in dem riesigen, überfüllten Saal zu essen, wo man von der Oberschwester und ihrer Belegschaft überwacht wurde, sich nur auf ausdrücklichen Befehl rühren durfte und die Spannung spürte, wenn die Messer eingesammelt wurden und das lange Zählen begann – all das hatte dazu geführt, dass ich nur ungern in Gesellschaft aß. Normalerweise aß ich allein undmachte mich so zu dem, was ich am allerwenigsten sein wollte – zu einer Außenseiterin. Außerdem hatten meine Schwester und ihr Mann viele Freunde, die manchmal ins Haus kamen. Ich stand abseits wie ein Steinpfahl,

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