Ein Engel fuer Emily
winzigen Silberglasperlen bestickte Rock um ihre Beine schwang.
Als die Musik zu Ende war und Michael seine Hand zurückzog, verblasste die Vision, und Emily hätte sich beinahe in seine Arme geworfen, nur um sich wieder ihren Träumen hingeben zu können.
Es war Michael, der sagte: »Ich denke, wir sollten uns eine gute Nacht wünschen und voneinander Abstand halten. Schlaf gut, Emily.« Er wandte sich abrupt ab und ließ sie allein unter den hellen modernen Lampen stehen. Kein Kerzenschein mehr, keine ausgeschnittenen, glitzernden Abendkleider mehr.
Erst als sie sich in ihr Schlafzimmer eingeschlossen hatte, redete sie sich selbst ins Gewissen. Sie musste sich mehr beherrschen. »Distanz wahren«, sagte sie laut. Abstand halten, und morgen vielleicht Donald anrufen. auch wenn er es nicht mochte, wenn man ihn unter der Woche störte, es sei denn, es lag ein Notfall vor. Aber das hier ist doch ein Notfall, oder?, dachte sie, als sie unter die Decke schlüpfte.
Jetzt, auf dem Weg zur Bibliothek, nachdem sie sich um fünf Uhr morgens aus der Wohnung geschlichen hatte, versicherte sie sich selbst, dass sie kein Feigling war. Sie war gegangen, als Michael noch schlief, und zwar weil eine Menge Arbeit auf sie wartete, aus keinem anderen Grund. Und die Nachricht für ihn, in der sie ihn bestimmt dazu aufforderte, den ganzen Tag die Wohnung nicht zu verlassen und sich nirgendwo sehen zu lassen, war nur eine vernünftige Warnung - eine Vorsichtsmaßnahme. Er wusste, dass er sich nicht in der Öffentlichkeit zeigen durfte, aber es war besser, ihn noch einmal daran zu erinnern. Und etwas Schriftliches hatte mehr Kraft als das gesprochene Wort.
Wieder musste sie an den Walzer mit Michael denken. »Vielleicht rufe ich Donald in der Mittagspause an«, murmelte sie und beschleunigte ihre Schritte.
»Und was macht die Familie, Mrs. Shirley?«, fragte Emily die hochschwangere Frau, die vor ihr am Pult in der Bibliothek stand.
»Alle sind wohlauf, bis auf den Jüngsten - er hat eine Erkältung. Und wie geht’s Donald?«
»Ausgezeichnet. Er ist...« Sie brach ab, als sie aufschaute und sah, wie Michael in die Bibliothek schlenderte.
»Emily? Ist Ihnen nicht gut?«, erkundigte sich Mrs. Shirley. »Sie sehen aus, als wäre Ihnen ein Gespenst begegnet.«
»Nein, nur ein Engel«, warf Michael ein. Er beugte sich über den Tresen und bestaunte die schwangere, erschöpfte Frau, als wäre sie die verführerischste Person, die er jemals zu Gesicht bekommen hatte.
»Liebe Güte«, flüsterte Mrs. Shirley und klimperte mit den Wimpern. »Ich glaube, wir kennen uns nicht. Ich bin Susan Shirley, und Sie sind ...«
Michael hob ihre Hand an seine Lippen und küsste die von der Hausarbeit geröteten Knöchel. »Ich bin Michael ...«, er zögerte und warf Emily einen fragenden Blick zu. Sie ahnte, dass er seinen Familiennamen vergessen hatte.
»Chamberlain«, fauchte sie und sah ihn an, als wollte sie ihn ermorden, weil er hier aufgetaucht war.
Er ignorierte sie und widmete sich ganz Mrs. Shirley. »Ja, natürlich - Chamberlain. Ich bin Emilys Cousin. Mütterlicherseits. Und ich wohne derzeit bei ihr.«
»Aber Emily, das hätten Sie uns erzählen sollen!« Mrs. Shirley machte keine Anstalten, Michael ihre Hand zu entziehen.
Emily brachte vor Wut kein Wort heraus. Cousin? Er wohnte bei ihr?!
»Emily, Liebes«, sagte Michael, »ist alles in Ordnung mit dir? Soll ich dir etwas zu trinken holen?«
Mrs. Shirley sah mit einem feinen Lächeln von einem Gesicht zum anderen, und Emily wusste, dass ihr Leben nie wieder so sein würde wie zuvor. Innerhalb von drei Stunden würde ganz Greenbriar wissen, dass ihr »Cousin- bei ihr wohnte.
»Sagen Sie, Mr. Chamberlain, sind Sie verheiratet?«
»Ja!«, bellte Emily. Das Wort blieb ihr in der Kehle stecken, und sie musste husten.
Michael beugte sich über den Tresen, um ihr auf den Rücken zu klopfen, aber nach nur einem leichten Schlag strich er zärtlich über ihre Schultern.
»Ich lebe von meiner Frau getrennt«, erklärte Michael strahlend. »Das heißt, die Scheidung läuft bereits.«
Emily, die noch immer hustete, schüttelte Michaels Hand ab und schlug ihm heftig auf den Arm.
Michael ließ Mrs. Shirley nicht aus den Augen, aber er richtete sich auf, als Emilys Hustenanfall vorbei war.
»Also, Emily«, sagte Mrs. Shirley, »ich mache mich lieber auf den Heimweg, ehe die Kinder das Haus vollkommen verwüsten. Ich muss schon sagen, es war eine angenehme Überraschung, eine echte Freude,
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