Ein Engel im Winter
auf den Parkplatz der Raststätte, in der sie mit den beiden Männern verabredet war. Auf Jeffreys Bitte hin hatte sie den Jeep genommen. Da Nathan zum Zeitpunkt des Unfalls nicht betrunken war, hatte man den Wagen nicht beschlagnahmt. Er besaß also durchaus das Recht, bis zur Urteilsverkündung Auto zu fahren.
Nathan winkte seiner Sekretärin durch die Scheibe zu.
»Sie wird dich nach Manhattan fahren«, erklärte Jeffrey ihm und erhob sich. »Ich lasse ihren Wagen zurückbringen.«
»Ich nehme Bonnie mit«, verkündete Nathan mit einer Stimme, die keinen Widerspruch duldete.
Jeffrey wirkte verlegen.
»Hör zu … Lisa hat sie heute Morgen für zwei Tage mit nach Nantucket mitgenommen. Sie …«
»Wie bitte? Ausgerechnet jetzt nehmt ihr mir meine Tochter weg?«
»Niemand nimmt sie dir weg, Nathan. Ich bringe sie dir persönlich nach New York zurück. Darauf gebe ich dir mein Wort. Nimm dir einfach ein bisschen Zeit, dich zu fangen.«
»Aber ich habe keine Zeit mehr, Jeffrey!«
»Ich bringe sie dir übermorgen zurück, versprochen. Du solltest dich ein wenig erholen.«
Nathan kapitulierte.
»In Ordnung.«
Und nach kurzem Schweigen fügte er hinzu:
»Aber benachrichtigen Sie mich sofort, wenn Sie etwas von Mallory gehört haben.«
Dann begrüßten sie Abby auf dem Parkplatz. Die junge Frau wirkte verlegen.
»Schön, Sie zu sehen, Abby.«
Nathan ging auf sie zu, um sie in die Arme zu nehmen, aber sie erstarrte.
»Mit der Kaution ist alles geregelt«, verkündete sie in geschäftsmäßigem Ton, als spreche sie über die rechtliche Lage eines Mandanten.
»Wissen Sie, wie es dem Kind geht?«, fragten die beiden Anwälte wie aus einem Mund, da sie wussten, dass Abby direkt vom Krankenhaus kam.
»Es liegt immer noch im Koma. Die Diagnose ist ziemlich vage. An Ihrer Stelle würde ich mich dort nicht blicken lassen«, sagte sie an Nathan gewandt. »Die Eltern sind außer sich.«
Jeffrey blickte unwillkürlich zu Boden. Nathan sagte nichts. Er begleitete Jeffrey zu seinem Wagen und drückte ihm lange die Hand. Würde er seinen Schwiegervater je wiedersehen?
Dann wandte er sich an seine Sekretärin.
»Abby, ich danke Ihnen von Herzen, dass Sie gekommen sind.«
»Gern geschehen«, erwiderte die junge Frau, doch ihre Stimme verriet, dass es nicht stimmte. Sie wandte ihm den Rücken zu und drückte auf den Schlüssel, um die Autotüren zu entriegeln.
»Wenn es Ihnen nichts ausmacht, fahre ich.«
»Aber Abby, seien Sie doch nicht alb …«
»Ich fahre«, wiederholte Abby mit solcher Entschiedenheit, dass Nathan es vorzog, ihr nicht zu widersprechen.
Er wollte gerade auf dem Beifahrersitz Platz nehmen, als ein großer alter Chrysler neben ihnen auftauchte.
Ein muskulöser Mann sprang aus dem Auto und begann Nathan laut zu beschimpfen:
»Mörder! Man müsste Sie für immer hinter Schloss und Riegel setzen!«
»Das ist der Vater des kleinen Jungen, den Sie angefahren haben«, informierte ihn Abby mit besorgter Stimme.
Nathan erwiderte laut:
»Hören Sie, Mister Greenfield, es war ein Unfall . Ich verstehe Ihren Schmerz. Glauben Sie mir bitte, Ihr Sohn bekommt die bestmögliche Pflege. Sie können eine hohe Entschädigung verlangen.«
Der Mann stand ganz dicht neben ihm und schnaubte vor Wut. Nathan hätte ihn gern beruhigt, aber er wusste, wie ihm zumute gewesen wäre, wenn irgendein Verkehrsrowdy Bonnie angefahren hätte.
»Wir wollen Ihr verdammtes Geld nicht, wir wollen Gerechtigkeit. Sie haben ein sterbendes Kind im Stich gelassen, in einem Graben. Sie sind ein Schwein! Sie sind ein …«
Nathan konnte dem schrecklichen Fausthieb nicht ausweichen. Er stürzte zu Boden, und der Mann beugte sich über ihn. Er holte ein Foto seines Sohnes aus dem Jackett und fuchtelte damit vor Nathans Nase herum.
»Ich hoffe, dieses Gesicht verfolgt Sie Ihr Leben lang!«
Nathan erhob sich mühsam. Er betastete seine Nase. Dicke Blutstropfen fielen in den Schnee und hinterließen einen roten Pfeil auf dem Boden.
Kapitel 25
Ich denke, du weißt genauso gut wie ich, wo das Problem liegt …
Der Computer HAL in:
2001 – Odyssee im Weltraum
»Abby, hören Sie auf, mich so anzustarren.«
Seit einer halben Stunde waren sie unterwegs nach New York und hatten kaum ein Wort gewechselt.
»Es stimmt also?«, fragte die Sekretärin, während sie einen Lastwagen überholte.
»Was stimmt?«
»Sie haben tatsächlich einen sterbenden Jungen auf der Straße liegen lassen?«
Nathan seufzte.
»Ich habe ihn nicht
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